Er ist das neue Gesicht des alternativen Gay-Pornos: Valentin Braun. Doch wie wird man eigentlich Pornodarsteller? Wie sieht ein typischer Drehtag aus? Und kann Gay-Porno feministisch sein? Wir haben den 27-jährigen in Berlin zum Interview getroffen.

 

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Worum geht es in deinem aktuellen Film?

Ich spiele einen Studenten, der ein WG-Zimmer in Brüssel sucht. Und während eines Besichtigungstermins kommt es schließlich zum Sex. Das ist mir auch schon einmal im echten Leben passiert. Generell bin ich ja eher schüchtern. In einem Raum voller unbekannter Menschen wäre ich oft gerne unsichtbar, Hauspartys zum Beispiel machen mir deswegen eher selten Spaß. Aber sobald es um Sex geht, fühle ich mich sicher und in meinem Element. Es klingt vielleicht etwas ungewohnt, aber ich bevorzuge es, zuerst mit jemandem zu schlafen als mit ihm zu reden. Ich finde, so lernt man Leute auch viel besser kennen. Vielleicht ist das der Tänzer in mir, aber ich tue mir viel leichter damit, Körpersprache zu verstehen als Wörter zu interpretieren. Beim Sex kann man sich viel schwieriger verstellen als in einem Gespräch. Sex ist für mich der beste Eisbrecher. Auf diese Weise habe ich einige meiner besten Freunde kennengelernt. Das WG-Zimmer habe ich damals so aber nicht bekommen. Er meinte, gleich miteinander im Bett zu landen wäre ein schlechter Start gewesen. Ich war da gegenteiliger Meinung, aber das sieht wohl nicht jeder so ungezwungen wie ich.

 

Hauptberuflich bist du Bühnentänzer und Performer. Nebenbei machst du Pornos – und das ziemlich erfolgreich. Aber wie kam es dazu? Wann hast du den Entschluss gefasst, Pornographie zu machen?

Naja, erfolgreich ist relativ. Im Vergleich zu hauptberuflichen Pornodarstellern bin ich ja noch ein Anfänger. Meine Filme kommen scheinbar gut an, und das freut mich natürlich sehr. Aber ich habe noch viel vor und muss noch viel lernen. Als ich meinen ersten Porno gedreht habe, war ich 24. Wirklich geplant war das nicht. Chris Phillips von Pornceptual hatte mich damals gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit seinem Kollektiv einen erotischen Film zu drehen. Er wusste, dass ich Tänzer bin und deshalb gut mit meinem Körper umgehen kann. Ich kannte Pornceptual zu dem Zeitpunkt noch gar nicht richtig, aber ich war neugierig und habe einfach mal zugestimmt. Ich bin da also eher reingerutscht. Nach dem Dreh habe ich erst einmal lange nichts von dem Projekt gehört, die Postproduktion hat lange gedauert, aber dann hab ich mir den fertigen Film zum ersten Mal auf dem Berlin Porn Film Festival angeschaut. Dass mein erster Film gleich bei einem Festival gezeigt wurde hat mich sehr überrascht.

 

Wissen deine Familie und Freunde von deiner Tätigkeit als Pornodarsteller? Hast du irgendwelche negativen Reaktionen in deinem Umfeld erlebt?

Ja, alle wissen davon und nein, es gab eigentlich überhaupt keine negativen Reaktionen. Meine Mutter hat Filmemacher Noel Alejandro sogar schon persönlich kennengelernt. Aber natürlich gab es am Anfang Fragen, wie: „Warum machst du das? Brauchst du vielleicht Geld?“. Für manche war es schwer zu begreifen, dass ich das aus freien Stücken heraus mache und das ganze mir obendrein auch noch Spaß macht. Es hat sich wie ein zweites Coming Out angefühlt es allen zu erzählen. Grundsätzlich waren die Reaktionen meiner Freunde und Familie aber sehr positiv.

 

Du arbeitest zur Zeit mit Noel Alejandro zusammen, der vor allem Indie-Pornos produziert. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?

Nach dem ersten Film mit Pornceptual hatte ich Blut geleckt und wollte unbedingt weitere Erfahrungen sammeln. Im Internet bin ich dann durch Zufall auf Noel gestoßen und habe ihn einfach angeschrieben: „Hey, ich mag deine Filme. Darf ich mitmachen?“ Noel hat mich daraufhin per Skype interviewt und nun ja, schlussendlich sind drei Filme entstanden.

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Valentin Braun ist eines der vielversprechendsten Gesichter im alternativen Gay-Porno. Bild: Manuel Moncayo

 

Worin liegt für dich der Hauptunterschied zwischen Indie und Mainstream Pornographie?

Ich denke, in ihrer Essenz wollen sowohl Mainstream-Pornographie als auch alternative Pornos dasselbe, nämlich guten Sex darstellen und Lust an der Erotik vermitteln. Aber der Unterschied zwischen den beiden Genres ist der Absatzmarkt, den sie bedienen. Das hat natürlich Konsequenzen: Mainstream-Pornos wollen kommerziell erfolgreich sein und müssen daher für so viele zahlende Kunden wie möglich attraktiv sein. Alternative Pornographie hat diesen Anspruch nicht unbedingt. Das hat natürlich direkten Einfluss auf den Inhalt, die Machart und das Casting der Filme. In Mainstream-Pornos wird vornehmlich ein (über)schönter und perfektionierter Sex-Akt gezeigt wird, mit leicht verständlicher bis hin zu keinerlei Handlung und Inhalt. Was hier zählt ist vor allem eine allgemeingültige Ästhetik und eine möglichst eingängige und verständliche Sexpraktik, denn das stellt sicher, dass sich möglichst viele Menschen den Film gerne anschauen möchten und dafür bezahlen werden. In alternativen Pornos funktioniert das anders: Hier wird versucht die ganze Bandbreite von Sexualität zu zeigen. Es wird geforscht, probiert und experimentiert. Oft wird auch interdisziplinär gearbeitet und die Filme werden mit anderen Kunstgenres gemischt. Es gibt keine Vorschriften für Ästhetik und Sexpraktiken - alles ist möglich. Bislang habe ich nur für alternative Pornostudios gearbeitet, aber ich würde gerne auch Mainstream-Pornos drehen und diese Szene kennen lernen, das reizt ich schon sehr. Aber ich glaube nichtsdestotrotz wird mein Herz immer dem Indie-Porno gehören.

 

Gibt es etwas, was dich an Mainstream-Pornos stört?

Das ganze falsche Gestöhne! Wie schon gesagt, Körpersprache kann man viel schwerer verstellen. Man sieht sofort, ob da echte Leidenschaft im Spiel ist oder nicht. Und auch so Sätze, wie „Yeah! Suck that dick!“. Manchmal sind solche Sätze sogar richtig lang und voller beschreibenden Adjektive. So hat doch niemand Sex! Oder ich zumindest nicht. Wenn ich mit jemandem schlafe und dann währenddessen die Zeit habe über solche Sätze nachzudenken, dann kann das kein guter Sex sein. Sollte ich mal Mainstream-Pornos drehen, dann hoffe ich, dass ich niemals so einen Blödsinn sagen muss. Per se habe ich nichts gegen Mainstream-Pornographie, denn in ihrem Kern will sie Gutes und ich schaue mir gerne Filme an mit Darstellern die ich mag und ihre Sache gut machen, aber manchmal entgleist die Pornoindustrie einfach mit ihrem Bestreben, alles zu perfektionieren.

Zum Beispiel: Um möglichst viele Käufer zu locken, bedient sich die Pornoindustrie der vorherrschenden Standards von Ästhetik und Sexualverhalten. Leider sind diese heutzutage nach wie vor weder auf dem aktuellen Stand der Aufklärung noch besonders politisch korrekt. Das bedeutet, dass ein Großteil der Pornos von schlechten Werten wie Rassismus oder Homophobie geprägt sind und unser aller Sexualverhalten dann auch dahingehend beeinflussen. Das muss sich ändern.

 

Homophobie in schwulen Pornos?

Oh, das ist sogar ein sehr häufiges Motiv in heutiger schwuler Pornographie. Stell dir eine Szene vor, in der ein Macho-Kerl einen nicht stereotypisch maskulinen Darsteller vögelt. Das Konzept hier ist: Maskuliner Kerl „bestraf-fickt“ den femininen Kerl, weil er feminin ist. „Fuck that faggot!“ Das findet man so oft. Oder auch so Sachen wie Slut Shaming. Hier wäre ein Beispiel für eine Szene: Ein passiver Darsteller wird gegangbangt von mehreren aktiven Kerlen, weil er eine „Slut“ ist und gerne Sex mit mehr als einer Person hat. Auch hier wird Sex als eine Art von Strafe und Erniedrigung verwendet. Man darf das nicht verwechseln mit Erniedrigen und Bestrafen im Sinne von S&M, das sind zwei verschiedene Sachen. Das eine ist soziale Ächtung, das andere ist Ausleben eines speziellen sexuellen Drangs. Auf jeden Fall suggerieren solche Pornos unterschwellig, dass eine sexuelle Erniedrigung von gewissen individuellen Lebensweisen okay ist, und ich glaube, dass die schwule Community nicht zuletzt wegen genau solcher Filme derzeit ein so großes Problem hat, sich gegenseitig zu tolerieren und respektieren. Als eine über Jahrtausende ständig verurteilte und verfolgte Randgruppe, sollten wir es eigentlich besser wissen und nicht so einen Irrsinn wie „masc4masc“, „no asians“, „no femmes“ in unsere Online-Dating-Profile schreiben.

 

Wie sieht ein typischer Drehtag aus?

Das ist bei jedem Regisseur unterschiedlich, aber mit Noel zum Beispiel drehen wir immer die Sexszenen zuerst. Wir treffen uns alle am Set, besprechen die Rollen und den Tagesplan, wählen die Kostüme aus, wenn es die Beleuchtung erfordert, tragen wir ein wenig Make-up auf damit wir nicht glänzen im Licht, solche Sachen. Dann beginnt der Dreh. Noels Filme erzählen immer eine Geschichte, deshalb hat meine Rolle oft bestimmte Vorgaben. In welcher Stimmung ist mein Charakter? Was ist vor dem Sex schon alles passiert, wie geht es danach weiter? Daran muss ich denken, während ich mit meinem Filmpartner schlafe, sonst passt das Filmmaterial am Ende nicht zur Geschichte. Ansonsten habe ich innerhalb dieser Vorgaben aber gänzlich freie Hand. Wir haben so lange Sex wie wir wollen und machen, was wir wollen. Bevor wir kommen, wird der Sex dann kurz unterbrochen. Eventuell müssen manche Einstellungen noch einmal nachgedreht werden, Kamerawinkel oder Lichteinstellungen nachgebessert werden. Dann drehen wir den Cumshot und alles was wir für den Übergang zur weiteren Handlung brauchen. Kuscheln und Küssen nach dem Sex, ein vorbereitender Dialog, solche Sachen. Danach duschen wir und es gibt Mittagessen. Hierauf drehen wir dann all die restlichen Szenen, die wir für die Geschichte brauchen. Ein Drehtag endet etwa so gegen 20 Uhr.

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"Ich verstehe Porno als eine Filmkunst über menschliche Sexualität." Bild: Florian Hetz

 

Ist der Cumshot im schwulen Porno wichtig?

Das hängt immer vom Betrachter ab. Natürlich können schwule Pornos auch ohne Cumshot funktionieren. In gewissen Arten von Pornos ist er sogar eher unerwünscht. Ich persönlich bin aber ein großer Liebhaber von Sperma, deswegen mag ich die Cumshots natürlich immer gerne.

 

Noel Alejandro bezeichnet seine Arbeiten als feministisch. Siehst du das ähnlich? Kann Gay Porno feministisch sein?

Natürlich. Feminismus setzt sich für die Gleichheit aller ein, auch wenn es der Name vielleicht nicht auf Anhieb vermuten lässt. Er geht uns alle an, denn er durchdringt jegliche Formen von Gender und Sexualität. Von der Feminismus-Bewegung können wir als schwule Community viel lernen, denn auch wir haben mit einer Benachteiligung in der Gesellschaft zu kämpfen.

In die Pornoszene bin ich nicht aus selbstlosen Gründen gekommen, es ging mir vielmehr um meine persönliche Erfahrung, meine Neugierde und meine sexuelle Begierde. Aber je mehr ich seit meinem Debüt über die Pornoindustrie gelernt habe und je länger ich bei der ganzen Sache mit dabei bin, desto wichtiger ist es für mich auch, eine Alternative anzubieten zu dem ganzen Mist, den man in den vielen Tubes im Internet findet.

 

Lernst du deine Filmpartner bereits vor dem Dreh kennen oder erst am Set?

Das ist unterschiedlich. Manchmal sehe ich vorher nur ein paar Bilder und lerne den Filmpartner erst am Drehtag kennen. In der Regel skypen wir vorher. Bei meinem letzten Filmdreh kannte ich einen der beiden Partner allerdings ohnehin schon länger. Ich sehe Pornodrehs wie ein erweitertes Sex-Date. Man lernt sich elektronisch kennen und dann schläft man miteinander.

 

Über was redet man denn bei so einem ersten Skype-Gespräch? Ist das nicht ein bisschen komisch?

Das ist wie ein Blind Date. Man unterhält sich über irgendetwas und versucht, Gemeinsamkeiten herauszufinden: Wer bist du? Was machst du sonst so? Warum willst du Pornos machen? Letztendlich will man aber einfach nur herausfinden, ob man mit der anderen Person Sex haben will oder nicht. Und dann gibt man entweder grünes Licht oder sein Veto.

 

Wie stehst du zum Thema Safer Sex?

Porno hat immer einen Aufklärungsauftrag. Safer Sex sollte daher auf jeden Fall ein Thema sein. Weltweit ist die sexuelle Aufklärung nicht auf dem Stand, auf dem sie sein sollte. Erschwerend kommt die Zensur und das gesellschaftliche Tabu hinzu, die einen gesunden und verantwortlichen Umgang mit der eigenen Sexualität und die der Mitmenschen verhindern. Das betrifft auch das Thema Safer Sex.

Allerdings verstehe ich Porno primär als eine Filmkunst über die menschliche Sexualität. Und in der Kunst ist alles erlaubt. Auch unsafer Sex. In meinen Filmen hatte ich beides, Sex mit Kondom, aber auch ohne. Regelmäßige Screenings und rigoroses Testen sind hier natürlich Voraussetzung, auch wenn sie wegen der Nachweiszeit leider keine hundertprozentige Garantie und Sicherheit bieten können. Seit kurzem bin ich auch auf PrEP, das nimmt mir zumindest das Risiko, mich mit HIV zu infizieren. Meiner jetzigen Arbeitserfahrung nach glaube ich aber, dass normales Dating,was Geschlechtskrankheiten angeht, weitaus risikoreicher ist als jeder Pornodreh.

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Eine Szene aus Noel Alejandros neuem Film TRIVIAL

 

Vielen Dank! Hast du noch abschließende Worte?

Es fühlt sich so wunderbar an, mit der eigenen Sexualität so frei und offen umgehen zu können. Ich kann es jedem nur empfehlen, sich in diese Richtung weiterzuentwickeln und dahingehend an sich zu arbeiten. Diese Entwicklung war ein langer Prozess für mich, es sind jetzt schon fast 10 Jahre seitdem ich angefangen habe, in mich hinein zu hören und mich mit meinen sexuellen Bedürfnissen zu beschäftigen. Das war nicht immer einfach und auch voller unerwarteter Wendungen, aber die ganze Arbeit beginnt so langsam sich auszuzahlen und ich merke, dass nie so zufrieden mit mir selber war wie in diesen Tagen. Deshalb also versuche ich genau diese Message in die Welt zu bringen:

„Kümmere dich nicht darum was andere dir sagen oder von dir denken, nichts ist wichtiger als deine freie sexuelle Entfaltung.“

 

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3 Kommentare

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Geschrieben

Toller beitrag

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broth

Geschrieben

HI bist du bei einem Dreh wirklich fast 20 Min. immer mit deinem Penis bereit oder sind das Zusammenschnitte?

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Hepheistion

Geschrieben

Würde gerne mehr sehen. Schaust gut aus. Hepheistion.

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