„Heute ist der Tag gekommen, mich für den Rest meines Lebens von einem Damoklesschwert zu befreien“, schrieb Conchita Wurst auf ihrem Instagram-Kanal im April 2018 und erklärte dann: „Ich bin seit vielen Jahren HIV-positiv.“ Eigentlich hätte sie nie die Absicht gehabt, diese sehr persönliche Information mit der Öffentlichkeit zu teilen, doch der Ex-Partner habe Conchita Wurst damals keine andere Wahl gelassen: „Ein Ex-Freund droht mir, mit dieser privaten Information an die Öffentlichkeit zu gehen, und ich gebe auch in Zukunft niemandem das Recht, mir Angst zu machen und mein Leben derart zu beeinflussen.“
Unter schwulen Männern gibt es verschiedene Gay Tribes. Dazu gehören auch die POZs. Es handelt sich um HIV-positive Menschen, die eine Ansteckung vermeiden wollen. Deshalb haben sie nur Sex mit anderen POZs. Zudem sind sie nicht mit den Pozzern zu verwechseln, die die Gefahr der HIV-Übertragung nicht so ernst nehmen.
Seitdem Conchita Wurst die Diagnose vor einigen Jahren erhalten habe, befindet sie sich in ärztlicher Behandlung. Mittlerweile sei sie “unterbrechungsfrei unter der Nachweisgrenze” - und damit nicht in der Lage, das Virus an Sexualpartner weiterzugeben.
Viele Menschen, die sich mit HIV infiziert haben, aber regelmäßig Medikamente einnehmen, befinden sich unter der sogenannten “Nachweisgrenze”. Einfach gesagt, bedeutet das, dass die HI-Viren-Konzentration im Blut so gering ist, dass sie schlicht nicht mehr nachzuweisen ist. Menschen, die HIV-positiv sind, jedoch regelmäßig ihre Medikamente einnehmen, sich von einem Arzt überwachen lassen und seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze sind, könnten laut Studien sogar ungeschützten Geschlechtsverkehr haben, ohne das Virus an ihre Partner weiterzugeben. Eine HIV-Therapie habe einen Schutzeffekt von 96 Prozent.
Allen Erfolgen von Forschung und Wissenschaft zum Trotz – HIV ist und bleibt eine unheilbare Krankheit. Conchita Wurst und andere HIV-positive Menschen müssen ein Leben lang Medikamente einnehmen, die wiederum zahlreiche Nebenwirkungen nach sich ziehen und von Person zu Person unterschiedlich stark ausfallen können.
Die Tatsache, dass Conchita Wurst sich öffentlich als HIV-positiv “outen” musste, zeigte, dass eine HIV-Diagnose auch heutzutage vor allem eins bedeutet: Stigmatisierung. Wir sind gesellschaftlich noch lange nicht so weit, um vorurteilsfrei mit der Krankheit umzugehen. Nicht umsonst fragte Karin Janker damals in der Süddeutschen Zeitung: „Wie frei ist eine Gesellschaft, in der Menschen, die mit HIV infiziert sind, erpressbar sind?“
Conchita Wursts zweites Outing war jedoch ein wichtiger Schritt, um Menschen in Deutschland und auf der ganzen Welt Mut zu machen und Hoffnung geben zu können. Jedenfalls schöpfte Conchita Wurst durch ihr Outing neue Kraft: „Es geht mir gesundheitlich gut, und ich bin stärker, motivierter und befreiter denn je“, sagte sie damals.
Coverbild © Markus Morianz
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