Auf einem Parkplatz am Rande der Essener Innenstadt spielt sich Abend für Abend das ab, was hier offiziell nicht sein darf: Typen treffen sich zum schwulen Cruising und junge Männer gehen anschaffen auf dem Strich. Das Jungs hier schon seit rund 100 Jahren sexuelle Dienstleistungen anbieten ist eigentlich ein offenes Geheimnis, doch nach wie vor ist die männliche Prostitution ein gesellschaftliches Tabuthema. Gay.de war vor Ort, sprach mit Strichern über deren Alltag und mit dem Team vom Projekt Nachtfalke der Aidshilfe Essen über ihren Einsatz für die 'Klienten', wie die Zielgruppe vom Team genannt wird.
Noch vor wenigen Jahren gab es drei Gaststätten im Bahnhofsumfeld, die als Treffpunkte zwischen Strichjungen und Freiern bekannt waren. Doch das Aussterben der Kneipenkultur machte auch vor diesen nicht Halt und so blieb keine einzige von ihnen erhalten. Der 'Wackel' aber, wie der Strich in der Szene genannt wird, hat sie alle überlebt. Zwischen Frühjahr und Herbst stehen die jungen Männer ab Einbruch der Dunkelheit vor den parkenden Autos. Hier warten sie auf Kunden, die sie mitnehmen an abgelegene Stellen, um im Schutz der Dunkelheit schnellen Sex für wenig Geld zu finden.
Während am anderen Ende der City für die weiblichen Prostituierten der ehemalige Kirmesplatz offiziell als Standort eingerichtet wurde, wird der schwule Strich, obwohl bei Polizei und Behörden bekannt, bestenfalls stillschweigend toleriert. Immerhin finanziert die Stadt das 2003 gegründete Nachtfalke-Projekt mit drei hauptamtlichen Mitarbeitern sowie die Kosten für die Räumlichkeiten, die als Anlaufstelle für die jungen Männer dienen, von denen viele häufig Drogen konsumieren. Kostenlose Arztbesuche, anonyme HIV-Tests, Begleitung bei Behördengängen, eine Duschgelegenheit und ein gemeinsames Essen sind einige Beispiele für die Angebote hier, aber auch Spielenachmittage oder Ausflüge stehen auf dem Programm. All das ist keine Selbstverständlichkeit, gibt es doch bundesweit gerade mal neun ähnliche Projekte – und keine einzige vergleichbare Einrichtung in den ostdeutschen Bundesländern.
Daniel (Name von der Redaktion geändert) gehört zu den Jungs, die diese Angebote annehmen. Der 22-Jährige hat weder eine Krankenversicherung, noch erhält er staatlichen Leistungen. Drei Termine am frühen Morgen beim Jobcenter stellen für ihn, wie für viele der jungen Männer, eine zu große Hürde dar. Dazu kommt, dass Daniel wohnungslos ist und sich auf der Straße durchschlägt. „Mal schlafe ich bei Freiern, manchmal auch bei Kumpels.“ Während die Callboys in einschlägigen Internetforen ihre Dienstleistungen mit Beträgen zwischen 70 und 100 Euro anbieten, liegen die Tarife auf der Straße deutlich niedriger. „Manchmal kriege ich 20 Euro fürs Blasen, oder auch mal 30 fürs Ficken.“ Oft genug ist es deutlich weniger oder es gibt als Honorar nur eine Übernachtungsgelegenheit im Gegengeschäft.
Etwa 250 junge Männer bieten nach Schätzung des Nachtfalke-Teams in Essen im Netz oder auf der Straße ihre Dienste an, rund 100 von ihnen erreicht das Team der Streetworker mit seinen Angeboten. „Die meisten sind etwa Mitte 20 bis Mitte 30“, beschreibt Stefan Schlarp die Altersstruktur der Mandanten. Der Sozialarbeiter ist seit 2012 im Projekt beschäftigt, zu dem er durch sein Praktikum bei der Aidshilfe Essen gestoßen ist. „Nicht alle Stricher brauchen auch Betreuung“, weiß Stefan, „alle anderen finden hier Unterstützung in allen Lebensfragen.
Zweimal wöchentlich stehen die Pädagogen in den spätem Abendstunden mit ihrem Bus auf dem Parkplatz. Hier gibt es heiße Getränke, eine Suppe, Kondome und Aufklärung über die Ansteckungsgefahr durch sexuell übertragbare Krankheiten. „Der Bus ist ein Schutzraum für die Jungs“, macht Fachbereichsleiter Manuel Hurschmann deutlich, „für Freier ist er tabu.“ Trotzdem sind auch die Kunden der Strichjungen manchmal wichtige Ansprechpartner für das Team, etwa wenn einer ihrer Klienten über einen längeren Zeitraum nicht aufgetaucht ist. Keine Seltenheit, denn Stricher gehen 'auf Tournee' und wechseln ihre Standorte im Ruhrgebiet, meistens entlang der Bahnverbindung zwischen Duisburg und Dortmund. Die Freier verlangen nach 'Frischfleisch', neuen Gesichtern im Sortiment.
Es gibt durchaus auch Erfolgserlebnisse in der harten und spannenden Straßensozialarbeit. Manchmal findet einer der Klienten beispielsweise dank der tatkräftigen Unterstützung eine Wohnung, umgekehrt verpassen die jungen Männer aber oft genug auch wichtige Termine und die engagierten Mitarbeiter warten vergeblich. „Es kostet manchmal sehr viel Kraft und es ist auch mit Enttäuschungen verbunden“, schließt Manuel Hurschmann, „aber eine hohe Frustrationsgrenze gehört in unserem Job einfach dazu.“ Es gibt inzwischen übrigens auch verschiedene Online Escort Seiten für Gays wie z.B. die Escort Galerie
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Outdoor-Sex: Do´s und Dont´s für Cruising
Sexparty - Was kommt danach?
"Cruise-control" - Kann man Intimität in Cruising-Areas und Saunen finden?
"Bareback Sex? - Nein Danke!"
(Beitrag von Peter Dettmer im Auftrag für Gay.de)
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