ABBA, Madonna, Kylie Minogue, Lady Gaga... Wie avancieren bestimmte Künstler eigentlich zu den musikalischen Ikonen der schwulen Szene ('Gay Icon')? Weltweit haben sich schon viele Fachleute den Kopf darüber zerbrochen, warum manche Interpreten zu den angesagtesten Stars der Gay Pop Music werden. Es mag vielleicht unerwartet klingen, aber hin und wieder steckt tatsächlich mehr hinter dem Phänomen, als die Faszination schwuler Männer für Glitzerklamotten und schrilles Make Up.
In meiner Kindheit fand ich die Village People richtig cool, ohne auch nur annähernd zu erahnen, warum sich da Männer in Lederklamotten und Uniform auf die Bühne stellten. Irgendwann war ich dann in Agnetha Fältskog, die Blondine von ABBA, total verknallt und als Erwachsener hatte ich alle CDs von Madonna und Cher. Unbewusst habe ich so im Laufe meines Lebens fast sämtliche Klischees des 'schwulen' Musikgeschmacks erfüllt. Allen gemeinsam ist: Die Werke dieser Künstler zählen zu den 50 beliebtesten Homo-Hymnen aller Zeiten. Ermittelt hat dies 2008 das Team der Webseite SameSame.com.au, das dazu über 15.000 schwule Männer nach deren gayest songs of all times befragte.
In Deutschland entstand schon 1920 Das Lila Lied von Kurt Schwabach, als Ausdruck einer Bewegung für homosexuelle Gleichberechtigung. Auszug aus dem Text: „Denn bald – gebt acht – wird über Nacht auch uns're Sonne scheinen. Dann haben wir das gleiche Recht erstritten, wir leiden nicht mehr, sondern sind gelitten!“ Der Autor schrieb später auch Titel für Weltstars wie Zarah Leander. Das Lila Lied wurde zum Vorreiter aller schwulen Hymnen und von zahlreichen weiteren namhaften Künstlern von den Nachkriegsjahren bis in die 90-er immer wieder neu interpretiert.
Die internationale Geschichte der schwulen Hymnen beginnt 1939 mit dem Leinwand-Klassiker Der Zauberer von Oz (The Wizard of Oz). Judy Garland sang in ihrer Rolle als Dorothy in der Verfilmung des gleichnamigen Musicals den Titel Over the rainbow. Männer, die sich zu den 'Friends of Dorothy' zählten, taten dies als Synonym für ihr Bekenntnis zur damals in den Vereinigten Staaten noch illegalen Homosexualität.
War sich die Sängerin ihrer besonderen Rolle in der Community vermutlich noch gar nicht bewusst, übertrug sich diese später auch auf deren Tochter Liza Minelli, obwohl die bestenfalls mit einem „Das ist mir egal“ auf die Frage antwortete, ob ihr klar sei, dass sie von so vielen schwulen Männern verehrt wird. Donna Summer dagegen schoss sich als Symbolfigur der Szene selbst ins Abseits, als sie in einem Interview AIDS als „Strafe Gottes“ bezeichnete.
Bekennende schwule Männer wie Elton John, Jimmy Summerville, Boy George oder Right Said Fred sind unter diesen Kultstars klar in der Minderheit. Fast immer sind es Frauen, die von ihren schwulen Fans vergöttert werden.
Tatsächlich engagieren sich Sängerinnen wie Cher oder Madonna intensiv für die Rechte von Schwulen und Lesben. Letztere wurde 2012 für diesen Einsatz bei ihrem Konzert in St. Petersburg übel beschimpft und sogar mit Strafe bedroht (kurz zuvor wurde dort ein Gesetz gültig, dass homosexuelle 'Propaganda' unter Strafe und Homosexuelle mit Kinderschändern auf eine Stufe stellt). Die deutschsprachige Gay-Ikone Marianne Rosenberg glaubt dagegen eher, dass es „ein Zufall“ war, dass sie mit Titeln wie 'Fremder Mann' und natürlich 'Er gehört zu mir' sowie ihren ersten Auftritten in schwulen Clubs in den Anfangsjahren ihrer langen Karriere zur Symbolfigur der Szene wurde.
Bei ABBA gab es eigentlich so gar keine Verbindung zu Homosexualität. Alle vier Bandmitglieder waren und blieben bis heute in wechselnden heterosexuellen Beziehungen, äußerten sich zwar niemals negativ, waren aber auch keine glühenden Verfechter der Gleichberechtigung. Trotzdem belegen die vier Schweden mit ihrem Welterfolg Dancing Queen mit Abstand Platz 1 auf der Liste der beliebtesten Songs der Gay-Szene. Vielleicht, nur vielleicht spielt ja der Glitzerfaktor ihrer frühen Jahre dann ja doch eine kleine, aber nicht ganz unbedeutende Rolle...
Und jetzt dürfen unsere Leser mitreden: Welche Künstler sind für euch die größten Kult-Stars der Gayszene?
(Beitrag von Peter Dettmer im Auftrag für Gay.de; Bilder: Acclaimed Music, Billabong)
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