Was steckt hinter der Idee einer LGBT- Gemeinschaft oder ist alles nur ein Mythos? Kämpfen wir für unsere Rechte - für Menschenrechte als Community oder machen wir uns nur das Leben schwer und pochen auf die freie Meinungsäußerung, damit wir als Lobby etwas zu sagen haben? Alex fragt nach und macht sich seine eigenen Gedanken zur LSBTTIQ***-Situation…
Ob von LGBT oder LSBT die Rede ist unterscheidet lediglich die Sprache, beides Abkürzungen stehen für lesbisch, schwul, bisexuell und trans* - Das im Deutschen gebrauchte LSBTTIQ ergänzt zudem um untersexuell und queer und unterscheidet zwischen transsexuell und transgender. Kleinkariert sagen die einen - wichtig für Sichtbarkeit und Anerkennung sagen die anderen. Warum aber zwischen sexueller Orientierung und Identität in machen Fällen unterschieden wird, in anderen wieder nicht - kann keiner wirklich beantworten.
ZitierenEinerseits möchte man gern Teil der Gesellschaft sein, anderseits finden viele immer wieder einen Weg, um sich selbst innerhalb der Community zu diskriminieren - oder sich ein Alleinstellungsmerkmal anzueignen.
Ich erinnere mich noch an meine erste Gay Pride. Ich war gerade 19 und hatte mich geoutet. Jahrelang hatte ich meine Sexualität geleugnet, aber die Zeiten sind vorbei. Ich war begeistert nicht mehr allein zu sein. Bei meinem ersten Christopher Street Day zog ich gemeinsam mit mehreren Tausend durch die Straßen Londons - hinaus in meine neu gewonnene Freiheit.
Teilgenommen habe ich mit einer meiner besten Freundinnen. Sie war die erste Person gegenüber der ich mich geoutet habe. Sie selbst bezeichnete sich damals immer als bisexuell obwohl sie immer nur Beziehungen zu Frauen hatte. Aber nun ja… Sie war da, und das war wichtig.
In den 70er Jahren arbeiten Schwule und Lesben Seite an Seite und kämpften gemeinsam für ihr Anerkennung. Homosexualität war lange nicht so toleriert, wie es heute der Fall ist und die Diskriminierung von uns Homosexuellen war allgegenwärtig. Seither kämpfen wir auch für die Öffnung der Ehe - was wir in einigen Teilerfolgen auch geschafft haben. Damals noch gemeinsam.
Ende der 70´er waren die jeweils eigenen Belange wichtiger und eine erste Spaltung der Community erfolgte. Die Lesben fingen an ihr eigenes Ding zu machen und die Debatte um Sexismus begann. Einen Schritt auf einander zu, bewirkte die AIDS-Epidemie der 1980´er Jahre. Lesben und schwule Männer fingen wieder an zusammen zu arbeiten und kämpften gemeinsam dagegen an, dass AIDS nur eine „Schwulen-Pest“ sei. Ebenso war es in anderen Ländern. Ob USA, Deutschland oder Frankreich - Schwule und Lesben streiteten und streiten oft gemeinsam - oft aber auch nur für die eigenen Interessen.
Was uns unterscheidet? Diskriminierung und Homophonie begegnen wir sicher gleichermaßen. Frauen hingegen - auch unabhängig ihrer sexuellen Orientierung - haben aber zusätzlich noch oft mit Sexismus zu kämpfen.
Damals mit Lesben gemeinsam auf der Straße zu sein und zu demonstrieren war überwältigend und lebensbejahend. Gemeinsam, Seite an Seite, für das Gleiche - sexuelle Außenseiter, die vereint gegen die heteronormative Gesellschaft demonstriert(e). Im Laufe der Jahre hat sich der Schwerpunkt auf Bisexuelle und Transgender verlagert. Sie sein ebenso Teil der LGBT-Gemeinschaft und gehören dazu, auch wenn wir nicht immer an einem Strang ziehen. Machmal frage ich mich daher, wie angemessen es ist, von einer „Gemeinschaft - einer Community“ zu sprechen?!? Immerhin hat jede Gruppierung ihre eigene Überzeugung, ihre eigenen Ziele und ihre eigenen Probleme von Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit. Gemeinsam für eine Sache eintreten, das geschieht nur, wenn Menschenrechte und/oder Grundrechte eingeschränkt werden. Am Ende kommt es vor, dass wir uns innerhalb der Community regelrecht bekriegen - und jetzt sagt nicht, dass ihr das selbst noch nie erlebt habt.
Marken und Werbung haben uns als Zielgruppe erkannt. Die Werbung ist nicht „homefreundlicher“ geworden, sie soll uns ansprechen. Wir haben Kaufkraft - also sind wir Teil der Gesellschaft. Rechtlich gleichgestellt sind wir daher habe noch lange nicht.
Dennoch war es damals angenehmer. Freundlicher und schöner gemeinsam zu kämpfen. Man zog an einem Strang. Seitdem wir mehr Rechte gewinnen konnten, haben sich unsere Wege aber getrennt. Zumindest stehen die eigenen Forderungen mehr im Vordergrund.
Die Öffnung der Ehe könnte dabei eine der letzten Hürden sein, die uns verbindet. Derzeit kämpfen wir dafür gemeinsam und haben auch schon viel erreicht. Was aber wenn diese Hürde genommen ist?
Die Interessen von trans* Menschen interessieren die schwule Community am wenigsten. Lesben hingegen ergreifen eher das Wort. Auch für Inter* Personen sind eher unsere lesbischen Freundinnen das Sprachrohr - Wir Schwule hingegen tut uns ja schon schwer, wenn es um Damenwäscheträger, Tunten und Schiksen innerhalb unserer Community dreht.
Geschlecht und Sexualität sind nicht das selbe und trans* Menschen kämpfen immer noch für ein Maß an Akzeptanz, wie es schwule Männer und Lesben heutzutage genießen. In den letzten Jahren hat sich die Sichtbarkeit von trans* Personen erhöht, aber enorme Herausforderungen liegen noch vor uns: der Hass- sowie Kriminalität gegenüber trans* People ist ein wichtiges Thema. Auch die (Selbst-) Mordraten von Transsexuellen und Transgendern in der ganzen Welt steigen weiter. Schwule Männer und Lesben haben die Pflicht, trans* Menschen zu unterstützen. Sie verdienen die gleiche Anerkennung und Akzeptant - gar Menschenrechte - wie wir es tun.
Das ist nicht einfach, wie aktuelle Beispiele zeigen. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter* zu vereinen ist schwierig. Nicht immer trifft man die Interessen der jeweils anderen Personengruppen oder teilt deren Meinung, obwohl man selbst denkt, dass man für alle spricht. Schnell fühlen sich einzelne Gruppierungen verletzt und missverstanden. Ein Beispiel dafür ist die Rede von Peter Tatchell, einem weltweit engagiertem LGBT-Aktivisten, der aufgefordert wurde eine Rede zurückzuziehen, weil trans* Rechte nicht korrekt dargestellt wären. Tetchell wurden Mobbing und Menschenverachtung vorgeworfen - aus den eigenen Reihen.
Wer aber außer trans* Menschen selbst, wissen was sie wollen?
Wenn uns die Geschichte eins gelernt hat, dann das, dass es effektiver ist als Minderheit zusammen zu arbeiten und nicht gegeneinander. Interne Machtkämpfe sind der schnellste Weg um uns alle ins Abseits zu drängen. Die Toleranz in unserer Community muss gefördert werden, auch wenn wir nicht immer die gleiche Meinung haben kämpfen wir alle für das Gleiche. Und alle unsere Meinungen müssen gehört und anerkannt werden.
Meiner Meinung nach, ist es wichtig die Buchstaben LGBT weiter zusammen zu schweißen, bevor damit beginnen weitere „Splittergruppen“ innerhalb unserer Community zu bilden. Respekt und Reife sind die Art und Weise mit der wir uns gemeinsam engagieren sollten. Wir alle sind nicht heterosexuell, demnach sollten wir vorsichtig sein, wem wir wann Homophobie oder Transphobie unterstellen.
Und wenn wir LSBTTIQ erweitern, dann doch auch um ein H für heterosexuell…
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