Patrick Joseph McNelis Erfahrungen mit der katholischen Kirche sind sicher einigen schwulen Männern bekannt. Als Kind nahm er jeden Sonntag an der Messe teil und wurde Messdiener. Ein normaler Junge mit einer sehr religiösen Muter einfach.
„Religion hat mich gelehrt, ein guter Mensch zu sein und Moral zu haben. Menschen zu respektieren, hat mich das Gebet gelehrt.“, erzählt er mir. Dann macht er eine Pause: „Die Zeit hat mir aber auch gelehrt, Scham und Schuld zu empfinden. Mein Schwulsein war eine Sünde. Es war alles Sünde - das musste ich beichten.“
Als Erwachsener hat sich Patrick – wie viele schwule Männer – immer weiter von seiner Religion entfernt. Heute ist er offener - zu sich und zu seinen Gefühlen: „Religion spaltet die Menschen. Anderssein erregt Ärger und fördert Hass.“
Aber der eigenen Religion zu entkommen, ist nicht so einfach. Kaum eine Woche vergeht ohne Schlagzeilen über fromme Kommentare und Geschehnisse innerhalb von Kirche, Glaube und Religion. Meist sind es radikale Gruppen, die über LGBT-Menschen richten, aber auch der „Nachbar von nebenan“ vergreift sich oft in Ton und Aktion.
Denken wir nur an die Evangelische oder Katholische Kirche - Die einen zeigen sich tolerant, die anderen leben im Mittelalter. Und die Diskussion über Homosexualität spaltet immer wieder die eigenen Reihen.
Es sind vielleicht nur oberflächliche Denkweisen, aber LSBTIQ* empfinden sie als zunehmend, lächerliche Einstellungen von extremen religiösen Gruppen. Wir können nur darüber Lachen, wenn mal wieder behauptet wird, dass WIR - Homosexuelle - Schuld an extremen Wetterlagen, Armut und Gewalt sind.
Für einige unter uns hat diese zunehmende Feindlichkeit - die oft in Hass übergeht - aber auch weitreichendere Folgen: Selbstzweifel und ein abnehmendes Wohlbefinden. Oder kennt ihr das nicht?
Patrick hat keine Zweifel über die Macht von religiösen Äußerungen wie diesen. „Sie sind die Hauptursache für die psychischen Probleme, die Menschen der LSBTIQ*-Community beschäftigen“, sagt er und fügt hinzu: „[…] dass homosexuelle Suizide und Suchtfragen, wie zum Beispiel das Chem-Sex Phänom, in einem direkten Zusammenhang mit eben sollen Aussagen stehen können.“.
Christopher Higgins, 42, weiß mehr darüber zu berichten, wie Religion arbeitet und funktioniert. Er absolvierte eine siebenjährige Ausbildung bei einem katholischen Priester in Rom - damals war er 18 und noch unvoreingenommen. Am Ende seiner Ausbildung und kurz vor seiner Ordination traf er seinen langfristigen Partner. Erst nach seiner Ordination hat er entscheiden, das Priestertum zu verlassen und in einer Beziehung zu Leben.
Dies führte zu viel Streit um seine Person und eine öffentlich homophobe Gegenreaktion, in der katholischen Wochenzeitschrift The Tablet, in der Leserbriefe beklagten, was für schreckliche Sünder er und sein Partner seien.
Christopher folgt seiner „gelernten“ Religion nicht mehr, aber bezeichnet sich immer noch als römisch-katholisch: „Alte Wunden sind verheilt und die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, haben eine Art Schutzschicht um das gebildet, worum ich mir früher nie Gedanken gemacht habe. Ich höre aufmerksam zu, was die Kirche in Fragen zur Sexualität zu sagen hat, aber ich lebe mein Leben, wie ich und mein Partner für richtig halten.“
Wenn er von religiösen Personen konfrontiert wird, die Intoleranz und eklatante Hass predigen, ist Christopher erste Reaktion Trauer und dann Wut: „Ich bin einfach nur traurig, denn ich denken, dass diese Leute es falsch sehen. Eine Religion und in diesem Fall meine ich das Christentum, die an einen Gott glaubt der diese schöne Welt geschaffen hat, schickte seinen Sohn um uns von der Sünde zu retten, starb qualvoll für unsere Sünden, wurde begraben und ist dann drei Tage später wieder auferstanden – und doch konzentrieren sie sich auf mit wem ich schlafe.“
Einen Moment Inne und er fährt fort: „Eine Menge von dem, was als Lehre der Kirche oder religiöser Glauben bezeichnet wird, ist es nicht. Man könnte es mit dem wettern von rechtsextremen Konservativen oder gar Fundamentalist vergleichen – Jeder verbreitet seine „Interpretation“, um ihre eigene Weltsicht zu rechtfertigen. Versuche ich hier zu sagen, dass die katholische Kirche ein Opfer von Missverständnissen ist und das sie eigentlich Homosexuelle liebt? Nein, überhaupt nicht – aber sie ist nicht die extremste unter den homophoben Gegnern der LGBT-Bewegung. Schaut mal in andere Weltreligionen…“.
Christopher kommt zu dem Schluss, dass extreme Meinungsbildung auch immer eine schädliche psychologische Auswirkung hat: „Gesagt zu bekommen, dass man nicht lebenswert ist oder noch schlimmer, dass man in die Hölle gehört, ist zugleich angsteinflößend als auch geisttötend.“
Wie viele homosexuelle Menschen hat auch der 54-jährige Simon-Peter Trimarco erst im Erwachsenenalter Erfahrung mit Religion aus zweiter und dritter Hand gemacht. Zum einen durch die Medien – insbesondere Social Media - also Facebook, GooglePlus und Co., aber auch durch einige Face-to-Face Kontakte mit Menschen mit denen er arbeitet oder aus seinem sozialen Umfeld.
„Die Menschen wählen ihre Religion unabhängig von ihrer Kultur oder einem sozialen Hintergrund. Jeder hat die Wahl zu glauben, was auch immer er möchte.“, sagt er. „Und für mich bedeutet das, dass während man vollkommen dem Glauben ‘verfallen ist‘, man nicht berechtigt ist, dafür „Respekt“ zu ernten. Die Idee den ‚Glaube anderer Menschen’ zu respektieren ist völlig lächerlich. Der Glaube sollte in Frage gestellt werden.“
Seiner Aussage nach, ist er immer wieder irritiert, wenn er religiösen Hass gegenüber Homosexuellen in den Medien begegnet. Ihm fehlt das Maß an Respekt gegenüber anderen Menschen.
„Die Leute, die mit ihrem pseudo-liberalen Getue dazu beitragen, machen mich rasend. Aber um fair zu sein, komme ich selten mit dieser abscheulichen christlich-fudamentalistischen Homophobie in Berührung. Häufiger begegne ich der wirklich gefährlichen und mörderischen Anti-Homo-Stimmung von Muslimen. Meiner Meinung nach, ist diese weit mehr verbreitet, wird aber seltener diskutiert, da wir in einer christlichen Welt leben- Der Islam ist aber auch bei uns angekommen.“
Welche Beziehung es zwischen Religion und Homosexualität gibt und zu welchem selbstzerstörerischen Verhalten das möglicherweise führen kann, frage ich Simon: „Tief verwurzelte Scham und Selbsthass kommen bei fast allen Gläubigen vor. Der einzige Weg davon loszukommen, ist der Religion, die einem eigentlich Halt geben soll zu entsagen und sich von ihr abzuwenden. Gott - ich hasse dieses Wort - hätte das definitiv nicht gewollt.“.
Weiter sagt er: „Ein Kind nach einer Religion zu erziehen, ohne die Möglichkeit der Wahl zu bieten ist einfach veraltet und bevormundend. Jeder kennt die Bilder von vier und fünf Jahre alten buddhistischen Mönchen in Tibet, die nur ihren Familien zu liebe diesem religiösen Leben ausgesetzt werden. Eine Form von Missbrauch, meiner Meinung nach, doch die Menschen finden die kleinen Tibeter einfach nur niedlich. Ihre großen Augen, ihre bunten Gewänder und ihre Ringe und Glocken.“.
Doch Christopher argumentiert auch, dass das Streben nach Toleranz in beide Richtungen gehen sollte und behauptet, dass er mehr Hass und eingefahrene Meinungen innerhalb der schwule Gemeinschaft erlebt hat. Vor allem weil er selbst katholisch ist. Wi kann mach auch schwul sein und einer Kirche angehören… ?!?
„Was stattfinden sollte, ist ein erwachsener Dialog von beiden Seiten.“, gibt er zu bedenken.
„Die Kirche muss davon abkommen Schwulsein mit Pädophilie gleich zu setzen. Vor allem aber in den eigenen Reihen für Ordnung4 sorgen und aufklären. Es kann nicht sein, dass Priester Kinder missbrauchen, aber ungeschoren davon kommen, Schwule aber weiterhin verfolgt werden. Innerhalb der Kirche sind etliche hohe Ämter von schwulen Männern besetzt, auch wenn sie immer noch im Versteck leben. Warum sie nicht den Schritt ins 21. Jahrhundert wagen, weiß ich nicht.“.
Weiterführende Linke zum Thema:
Religion und Homosexualität im Islam - ein vermeintlicher Widerspruch - Heinrich-Böll-Stiftung
Homophobie im Islam - „Das hat nichts mit Religion zu tun" - Taz.de
Homosexualität und Religion - Wikipedia
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