von Sven
Mit etwas Glück kann man außerhalb der Saison im Frühling oder Herbst einen günstigen Flug erwischen und in Tel Aviv trotz der Jahreszeit ein traumhaftes Wetter vorfinden. Im November bei über 25 Grad ins Meer springen und den Tag am Strand verbringen ist für uns Deutsche nicht mehr an vielen Urlaubszielen in der Nähe möglich. Aber bereits nach 4 Stunden Flug scheint die israelische Sonne auf einen herab und das Abenteuer Israel kann losgehen...
Tel-Aviv bedeutet wörtlich übersetzt „Frühlingshügel“ und wurde erst 1909 als Vorort der Hafenstadt Jaffa gegründet. 1950 wurden beide Städte vereint und mittlerweile ist die Stadt zu einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zentrum des Landes geworden. Die im Bauhaus-Stil errichtete "Weiße Stadt" gilt als drittgrößte Wirtschaftsmetropole des Nahen Osten und ist das größte Zentrum von Gebäuden im Internationalen Stil der Welt. Um den geschichtlichen Teil abzurunden, sollten Interessierte wissen, dass Tel Aviv seit dem Jahr 2003 UNESCO-Weltkulturerbe ist. Nach dem 2. Weltkrieg in den 50er und 60er Jahren wurde Tel Aviv in nur wenigen Jahrzehnten zu der großen und florierenden Metropole, die es heute ist. Jaffa ist bis heute der Teil der Stadt, in dem die arabische Bevölkerung lebt. Aber die Stadt bleibt multi-kulti: Muslime, Juden und Christen treffen in der zweitgrößten israelischen Stadt aufeinander.
Tel Aviv kann schon nach den ersten Eindrücken als „Stadt der Gegensätze“ beschrieben werden. Dieser Anschein zieht sich durch den ganzen Trip, was aber keinesfalls negativ gemeint ist. Arm und reich, kaputt und topmodern, strenggläubig und westlich-orientiert, konservativ und extrem schwul, Ruhe und Hektik, Individualismus und Konformität. Die Weiße Stadt wächst und ist im stetigen Wandel. Überall wird gebaut und der Fortschritt ist unmittelbar spürbar. Es lohnt sich im Vorfeld Recherchen über die Stadt und das Land anzustellen, denn Israel hat einige Besonderheiten, die wir als Deutsche vielleicht nicht gewohnt sind. Gerade die Religion bestimmt immer noch stark das urbane Leben. Was zum Beispiel für die Christen der Sonntag ist, ist für die Juden der Sabbat. Es ist der Ruhetag, an dem keine Arbeit verrichtet werden soll. Bei einer Reise in Israel musst du den Sabbat unbedingt berücksichtigen. An diesem Tag solltest Du keine Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln - auch Taxifahrten sind dann wesentlich teurer - einplanen. Der Sabbat wird vom Sonnenuntergang am Freitag bis zum Sonnenuntergang am Samstag begangen.
Neben Mykonos, Gran Canaria, Barcelona und einigen anderen europäischen Orten, ist Tel Aviv zu einem Hot Spot für die Gay Community geworden. Und das definitiv zu recht! Überall begegnet man Regenbogen-Flaggen, die wie ein Symbol für Akzeptanz und Toleranz über den Köpfen der Menschen wehen. In keinem Augenblick habe ich mich als schwuler Mann unwohl in Tel Aviv gefühlt. Besonders zum Gay Pride im Juni ist die ganze Stadt bunt und fröhlich und schwul. Wer keine Gesellschaft scheut, findet schnell bei den unheimlich freundlichen Israelis Anschluss.
Sonnenanbeter können an zahlreichen wunderschönen Stränden das sommerliche Wetter genießen. Möchtest du die ungezählten schwulen Männer der Stadt näher kennenlernen, lege ich dir den FKK Strand Ga'ash oder den Gay Beach hinter dem Hilton Hotel ans Herz. Der schwule Strand ist kaum zu übersehen, denn riesige Sonnenschirme in den Regenbogenfarben strahlen einem bereits aus der Ferne entgegen. Generell liegt der Strand mit überwiegend homosexuellem Publikum genau neben dem Hundestrand und dem mit einem hohen undurchsichtigen Holzzaun liegenden streng jüdischen Badestrand, an dem Männer und Frauen nur an separaten Tagen baden gehen dürfen. Nur einer von so vielen kontroversen Punkten, die Tel Aviv doch gerade so interessant und charmant machen. Der FKK-Bereich am Strand in Ga´ash ist übrigens der einzige Küstenabschnitt des Landes, wo man der Freikörperkultur offiziell frönen darf.
Ein blonder Mann in Israel fällt auf jeden Fall auf, aber auch alle anderen Touristen werden mit offenen Armen von den israelischen Männern empfangen. Nutzt man Datingsapps in Tel Aviv, merkt man schnell, wie die schwule Community tickt. In rund 3,5 Tagen kamen aus dem nahen Umfeld über 200 Nachrichten von bärtigen und extrem gutgebauten, & sportlichen Männern. Jeder scheint ein richtiges Muskelpaket zu sein. Überall am Strand gibt es Open-Air-Fitnessstudios und die Strandpromenade ist eine beliebte Jogging-Strecke. Die Bürger der Stadt scheinen ein ausgeprägtes Körperbewusstsein zu haben – das natürlich bei Schwulen noch stärker vertreten ist. Außerdem wird bei den ersten Nachrichten auf dem Handy schnell klar, dass die Rate von mächtig bestückten Tops extrem hoch ist. Viele kommen direkt zur Sache und schicken einschlägige Bilder mit: Ihre trainierten Körper, diverse Schwanzbilder oder sogar Fotos in flagranti beim Sex
Die Stadt lässt sich wunderbar mit Fahrrädern erkunden und es lohnt sich an eher unauffälligen, aber einheimischen Märkten und Geschäften Halt zu machen. Abseits des Touri-Kapitalismus kann man das wahre israelische Leben erleben und auch schmecken. Lasst euch den Trip auf jeden Fall durch den Magen gehen: Falafel wird in Israel typischerweise mit Salat, der Sesampaste Tahini und Hummus als Sandwich in einem Pitabrot serviert. Wer übermäßig Alkohol konsumieren will, sollte vor dem Aufenthalt in Israel jedoch etwas länger sparen, denn die alkoholhaltigen Getränke sind stark besteuert. Aber ob Wein beim Dinner oder ein kühles Bier am Strand, alles kann man unter der israelischen Sonne noch etwas mehr genießen.
Generell haben LGBT in Israel die fortgeschrittensten Rechte und weitestgehende Emanzipation im Vergleich aller Länder des Nahen Ostens. Israel war das erste Land in Asien, das vor über 15 Jahren Homosexuelle durch ein Antidiskriminierungsgesetz geschützt hat. Einem unbeschwerten Urlaub in der Weißen Stadt steht also nichts im Weg. Bei den Sicherheitskontrollen am Flughafen solltet ihr allerdings viel Extra-Zeit mit einplanen, denn ihr werdet auf Herz und Nieren ausgefragt und untersucht. Doch wenn ihr Glück habt, macht das wenigstens ein hübscher israelischer Beamter mit strenger Stimme, aber strahlenden Augen.
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