Wie kann die LGBT-Community auf den Massenmord im Puls Nachtclub in Orlando reagieren? Und was muss sich ändern, um sicherzustellen, dass dies nie wieder passiert, fragt sich Gay.de Autor Alex Hopkins.
Zwei Tage nach dem Massaker bei dem 49 Menschen im Gay Club Pulse Orlando ihr Leben gelassen haben, beginnen wir jetzt die Namen derer zu hören, die getötet wurden. Sie sind nicht mehr nur eine Statistik aus der schlimmsten Massenerschießung in der Geschichte der USA. Sie sind Menschen mit ihren eigenen einzigartigen Geschichten, Menschen aus allen Schichten. Menschen, die gemeinsam feiern, flirten und tanzen wollten. Menschen, die gemeinsam eine großartige Nacht erleben wollten und ihre Freiheit genießen wollten - wie es ihrer sexuellen Identität und Orientierung entsprach. In ihre Fröhlichkeit hinein trat ein terrorist, der ihnen diese Freiheit, der ihnen dieses Recht auf Vielfalt absprach, und der 49 von ihnen wahllos erschoss.
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„Es ist kaum möglich, Worte zu finden für den Hass und die Brutalität dieses fanatischen Mörders. Zu groß ist das Entsetzen und zu groß ist die Trauer über die Tat, die unschuldige, wehrlose Menschen getroffen hat - und mit der wir alle gemeint sind, die wir lesbisch sind oder schwul, queer, bi, trans* oder inter*.“ (CSD Deutschland e.V.)
Die in den Medien verlesen Namen der Opfer, dient weniger der Identifikation und Sichtbarkeit: es geht um einen letzten Akt der Achtung. Es zeigt, wer zusammengehörte und lässt Familien, Angehörige, Freunde und unsere Community Abschied nehmen - Wir können uns erinnern. Wir können uns auf das besinnen, was uns wichtig ist - Die Menschen, die wir lieben.
Diese Liebe wurde sicherlich in der Nacht im Pulse greifbar, in der unschuldige LGBT´s und weitere Menschen starben.
Homophobie tötet!
Für unsere Community sind LGBT-Bars und -Clubs besondere Orte: Räume, in denen wir offen sind, in denen wir der (harten) Realität entfliehen können, wo wir so sein können wie wir sind. Orte an denen wir uns nicht verstecken müssen. Diese Orte sind unsere „Form von Kirche“, wo das untrennbare Band, das wir aufgebaut haben über die Jahre des Kampfes, Vorurteile und Hass zementiert werden.
Das Pulse wurde absichtlich von Omar Mateen gewählt, um das pulsierende Herz von Orlandos LGBT-Gemeinschaft zu treffen. Dies war ohne Zweifel, eine berechneter Angriff auf einen LGBT-Club und auf Lesben, Schwule, Bi´s, Trans*- und Inter*-Menschen. Es war ein Angriff auf unsere Community, auf unsere Lebensweise, unsere sexuelle Identität und Orientierung. Und die Tat zeigt. Homophobie tötet!
Die teilweise sehr zweifelhaften Berichterstattungen zur Tragödie haben in den letzten Tagen die sexuelle Orientierung der Opfer oft vernachlässigt. Viel zu oft titelten Presse und Nachrichtensendungen mit Anschlägen des IS, religiösen Hintergründen und gar Immigration, und absehbarer Folgen der Zuwanderung. Die in London ansässige Daily Mail wählte zum Beispiel eine Titelgeschichte über türkische Einwanderer. Selbst die New York Times vergaß in ihrer Titelstory, das die Zielgruppe der LGBT-Community angehörten. Ein Interview mit Sky News wurde von Reporter Owen Jones abgebrochen, als wiederholt nicht auf die sexuelle Orientierung der Opfer eingegangen wurde.
Aber welche Botschaft können wir daraus ziehen? Sind wir in irgendeiner Weise weniger wert? Weniger wichtig oder gar Menschen zweiter Klasse? Ist es zu viel verlangt, die Dinge beim Namen zu nennen?
Wenn die türkische Presse von „Perversen“ spricht, in Russland Menschen festgenommen werden, wenn sie trauern, dann müssen westliche Medien reagieren und dinge beim Namen nennen. Es war ein Anschlag auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*- und Inter*-Menschen - und nicht auf die gesamte Gesellschaft.
Und wer hier wegschaut, der stimmt zu, der fördert Homophobie.
Es ist nicht nur das Ausmaß des Orlando Massaker, die Menschen zum kämpfen veranlassen - es ist auch seine Komplexität. Wie definieren wir, was passiert ist? War es ein Akt des Terrorismus oder ein Verbrechen aus Hass? Es ist beides. Sie schließen sich nicht aus. Aber dem Großteil der Berichterstattung über den Vorfall nach, kann es nicht beides gewesen sein.
Was geschehen ist: Es sind 49 Leben von Menschen ausgelöscht wurden.
Gründe hierfür sind unter anderem, dass der Mörder, Omar Mateen, durch das FBI radikalisiert wurde. Aber auch die islamistische Propaganda der Medien lässt nur Spekulationen zu. Die Wahrheit wissen wir derzeit nicht.
Was wir wissen ist, dass das Amerikanische Waffenrecht es zulässt, dass ein FBI-Bekannter Mann in der Lage gewesen ist, eine militärische Waffe (AR-15) frei zu erwerben.
Was Mateen veranlasste, das Pulse in einen Schlachthof zu machen, werden wir nie erfahren. Die Spekulation wird auch weiterhin lauten: wurde er gezwungen, musste er handeln, weil er zwei sich küssende Männer sah, wie es sein Vater gesagt hat? Oder - wie die jüngsten Artikel berichten - war er in der Tat homosexuell und ein regelmäßiger Besucher des Pulse und mit sich selbst im Konflikt?
War er dem Selbsthass verfallen und wusste für sich keinen anderen Ausweg.
Sicher ist: Er riss 49 Menschen mit in den Tod.
Aber wie können wir dann, als LGBT-Gemeinschaft, eine Antwort auf diesen sinnlosen Massenmord finden? In den letzten Tagen haben Mahnwachen in der ganzen Welt ihre Solidarität gezeigt. LGBT-Menschen kommen aus allen Schichten und Kulturen. Unsere Träume - Liebe und Akzeptanz - sind sich sehr ähnlich. Gemeinsam sind wir stark, und unser Zusammenhalt ist selten wichtiger gewesen als jetzt. Wenn wir trauern, dürfen wir auch wütend sein - entscheidend ist aber,dass wir unsere Wut in neue Kraft umwandeln und weiter kämpfen müssen.
Dies ist der Moment, die Menschen zur Rechenschaft zu ziehen. Es sind nicht nur die Waffengesetze, die in den USA geändert werden müssen, es sind weitere wie das Blutspendeverbot für homosexuelle Männer, das Eherecht und die immer noch existierenden Antihomosexuellen Gesetze in mehr als 70 Ländern weltweit.
Unsere Stimmen müssen laut und kompromisslos sein: Es gibt keinen Platz für homophobe Gesetzgebung, so wie es keinen Platz für die Politiker gibt, die glauben, es sei akzeptabel, LGBT-Menschen zu verunglimpfen.
Wer schweigt, der unterstützt homophobe Machenschaften und wir wissen: Homophonie tötet!
Bilder von der Mahnwache zu #WEStandWithOrlando in Bielefeld:
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