Sehr verehrte Damen, Herren und Mischgeschlechter, mein Name ist Jacky-Oh Weinhaus, meines Zeichens Teilzeitmädchen, Bartdame, Pimmelpuppe – handelsüblich auch als Drag Queen bekannt. Die meisten von Ihnen kennen mich ja bestimmt. Nein? Gut. Dann haben Sie bisher so einiges verpasst. Aber keine Sorge: Wir holen das nach. In dieser brandneuen – und vor allem: exklusiven – Kolumne nehme ich Sie 1x pro Monat mit in die Nacht. Nicht nur in meine, sondern auch in die Nächte von vielen schwulen, lesbischen, trans*gender, bi- oder intersexuellen Menschen sowie bekannten Berliner Drag Queens, und berichte investigativ vom manchmal sehr (un)glamourösen Cluballtag der Bundeshauptstadt.
Wenn Sie ans Berliner Nachtleben denken, dann fallen Ihnen bestimmt legendäre Clubs wie der Tresor ein, das Kitty (wie wir den KitKat Club ja gerne mal nennen) oder gar das Berghain. Und in solchen Läden wird ja nicht nur getanzt, sondern, wie man munkelt, auch geballert und gebumst. Und deshalb möchte ich mich in dieser ersten Ausgabe auch gleich mit dem meistverkauften Thema der Welt beschäftigen: Sex im Club. Ich weiß ja nicht, ob Sie schon mal auf 'nem Club-Klo gebumst haben, aber ich muss gestehen, dass ich als junge, dynamische Dame – saftig und im besten Alter für ein bisschen Rambazamba in der Diskothek – bereits 2x versucht habe, im Club den Freuden des sexuellen Verkehrs zu frönen. Und ich sach's Ihnen – dit is nix für mich.
Es ist eng, in der Regel so dunkel, dass Sie keine Ahnung haben, was Sie eigentlich vor sich haben – Sie könnten Ihrem Gegenüber eine Möhre in adäquater Größe vor die Nase halten und manch eine würde den Unterschied nicht merken – und es riecht. Es riecht sehr. In der Box rechts von Ihnen trifft Person 12 infolge schwerer alkoholischer Entgleisungen die Schüssel beim Pullern nicht, eins weiter herrscht seit zwei Stunden 'ne ordentliche Rohrverstopfung durch den 1. Koksschiss des Abends und auf der anderen Seite hat sich eine Partygästin dazu entschieden, ihren Mageninhalt lieber im Club zu lassen, als mit nach Hause zu nehmen oder gar später eventuell dem Taxifahrer zu zeigen. Und abgesehen von dem Geruch finde ich Kotzgeräusche tatsächlich gar nicht so sexy. Zu diesem Soundteppich gesellt sich des Weiteren das Gemaule der Wartenden draußen vor der Boxtür, die entweder wirklich mal auf Tö müssen oder die ebenfalls andere Gelüste ins gekachelte Aromastübchen treiben.
Jacky-Oh Weinhaus mit stark transvestitischer Unterstützung von Gesangstalent Jade Pearl Baker.
Aber fangen wir, der Chronologie zuliebe, mal von vorne an: Sie sind bester Laune, tanzen mit Ihren Freunden, wie das eben in Berlin so ist, viel zu spät im Club an, stehen daher stundenlang in der Warteschlange und haben, nachdem Sie nochmal 15 Minuten an der Bar auf Ihre Brause gewartet haben, erstmal die Schnauze so richtig voll. Auf der Tanzfläche können Sie sich kaum bewegen, weil der Laden so voll ist und der DJ ist irgendwie auch scheiße. So.
Natürlich wollen Sie nicht das Weichei der Gruppe sein und als erstes abziehen. Also haben Sie zwei Möglichkeiten, um den Abend noch einigermaßen hübsch zu gestalten: Sie lassen sich entweder komplett volllaufen oder Sie gehen auf die Jagd. Nach einem Finanzcheck Ihres löchrigen Geldbeutels wird Ihnen klar – es bleibt nur die Jagd. Sie quetschen sich also wieder auf die Tanzfläche, versuchen – so gut es in dem überfüllten Wechselspiel zwischen Hell und Dunkel eben geht – nach etwas Ansprechendem Ausschau zu halten. Und da – plötzlich: Nach über einer Stunde verzweifelter Anläufe des Blickkontaktaufbaus erklärt sich doch tatsächlich jemand dazu bereit, den Käse mit Ihnen durchzuziehen. Zuerst nur zaghaft, kurze Blicke direkt in die Augen, dann verschämt am Bier nuckeln und gleich wieder überprüfen, ob Person 2 denn auch zurückschaut. Klappt. Toll. Gut gemacht!
Passend zum Takt tanzen Sie aufeinander zu, doch auf einmal erfasst Sie die Angst der Enttäuschung, ob besagte Person nur ferngeil ist (kennt man ja: Sie sehen jemanden ein halbes Fußballfeld entfernt und denken sich „BUMS MICH, ALTER“. Bei näherer Betrachtung schüttelt es Sie dann jedoch und zwar nicht auf die angenehme Weise. Das ist das böse Phänomen der Ferngeilheit. In der Ferne ist er geil. Nur in der Ferne). Ist er nicht. Puh! Noch mal Glück gehabt. Jetzt wird es langsam spannend. Sie versuchen sich so grazil und betörend wie möglich zur Musik zu bewegen, die Beute damit zu becircen, ja sogar in eine Art Bann zu ziehen. Sie fühlen sich so sexy wie Megan Fox auf dem Cover der „Jennifer's Body“-DVD oder – für die Jüngeren unter Ihnen – wie eine der dürren Schlampen der letzten Victoria's-Secret-Shows. (Weiß der Geier, wie die alle heißen). Und schauen Sie mal, Ihr berauschtes Gezappel scheint irgendwie zu funktionieren, denn trotz Ihrer recht fragwürdigen Bewegungsabläufe ist Ihre Beute nah an Ihnen dran – und scheint durch Körperkontakt bekunden zu wollen, dass das Interesse tatsächlich bilateral ist.
Dann geht es Schlag auf Schlag. Zuerst wird ein bisschen rumgeschnullt und Spucke ausgetauscht. Wenn er's bis dahin immer noch nicht verschissen hat, kann man ja mal nach dem Namen fragen. Und zur Sicherheit – denn man weiß ja nie – sollten Sie gleich einen reizvollen Kontrollgriff zwischen die Beine machen. Eine größenbezogene Enttäuschung zu diesem Zeitpunkt könnten Sie nämlich noch ganz nonchalant mit der „Ich muss morgen früh raus“-Ausrede überspielen. Da dazu aber so gar kein Grund besteht und der Druck Sie keinen klaren Gedanken mehr fassen lässt, wird die nächste Gelegenheit aufgesucht, um von der Musi zum Gschmusi zu wechseln – oder halt zum Lutschi und Bumsi.
Qualitätskontrolle. Frau Weinhaus im Backstage.
Warteschlange bewältigt, Boxtür verriegelt, Hosen runter und dann PENG: die unlängst beschriebene Umgebungssituation lässt Ihren Sextrieb auf die Größe einer Trockenerbse schrumpfen. Sie verlassen die Box, gucken sich kurz zögernd an, bis die eine sich endlich traut und fragt: zu dir oder zu mir? Die BVG-App verrät Ihnen in Windeseile, welche Strecke zu welcher Wohnung Sie am wenigsten fickt und los geht die Reise. Denkste! U-Bahn und Anschluss verpasst. Für 12 Stationen brauchen Sie mitten in der Nacht über eine Stunde. Dann hat der Späti für eine aufmunternde Mate (Sie wissen schon: diese Limo aus sehr altem Tee) auch noch zu und das einzige, was Sie jetzt noch gebacken bekommen ist, sich stinkend und verschwitzt ins Bett zu legen. Und damit schon wieder nicht im Club-Klo gebumst. War ja klar.
Always use a condom. Tata.
Deine Weinhaus
PS: Für Fanmails, getragene Schlüpfer oder Beratung in Strumpfhosenfragen finden Sie mich hier.
Coverbild © Leander Brandstädt
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