von Sven
Stellt euch vor, ihr liegt auf eurem Bett, den Kopf auf die verschränkten Arme gelehnt und schaut verträumt in die Luft. Dabei stellt ihr euch den Traumprinzen vor und überlegt, wie der Mann für eine Beziehung sein könnte: Großherzig, humorvoll, lieb, intelligent, aber vor allem sollte er „heterolike“ (oder auch „straight acting“) sein! Er soll also homosexuell sein, aber sich wie ein heterosexueller Mann verhalten und aussehen. Das Beuteschema ist für viele Singles ganz klar definiert und nicht selten stößt man auf das „heterolike“-Attribut, wenn man Kontaktanzeigen oder die Profile auf Dating-Portalen durchliest.
Schon Herbert Grönemeyers erster Hit „Männer“ definiert uns wie ein Mann zu sein hat: „Männer haben's schwer, nehmen's leicht / Außen hart und innen ganz weich / Und werden als Kind schon auf Mann geeicht“. Provokativ fragt der 61-jährige Popstar „Wann ist ein Mann ein Mann?“ und beschreibt in jeder Zeile die konformen Stereotype, die uns Männern durch die Gesellschaft auferlegt sind. Von klein auf werden wir in die Richtung Mann erzogen und geformt. Eine erfolgreiche Sozialisation als kleiner Junge hat nur das eine Ziel: Durch und durch Mann. Jeder Junge hat den Spruch „ein Indianer kennt keinen Schmerz“ gehört oder weiß, dass es sich gehört mit Autos zu spielen und die Farbe Blau zu mögen. Grönemeyer beschreibt das Geschlechterbild weiter, in dem er singt, dass Männer heimlich weinen, viele Muskeln haben, furchtbar stark sind und zu allen Abenteuern bereit. Das alles ist also „typisch Mann“, was gleichzusetzen ist mit „typisch Hetero-Mann“.
Klebriger als jeder Kaugummi haftet ein bestimmtes Klischee an uns schwulen Männern. Geprägt durch die Medien und viele Geschichten und Witze, die man sich im Volksmund erzählt. Im Fernsehen und in der Welt der Prominenten sind die Homosexuellen die Paradiesvögel, die meistens bunt, schrill und auffällig sind. Harald Glöckler, Boy George, Elton John, Dirk Bach, Drag Queen Olivia Jones und viele andere sind nur ein paar Beispiele für Stars, die das Bild von Homosexuellen in der Öffentlichkeit prägen. Aber auch Darstellungen von Schwulen durch Bully Herbig in den Kino-Blockbustern „Der Schuh des Manitu“ oder „(T)Raumschiff Surprise“ werden durch die Masse der Gesellschaft nicht als überspitze Parodie verstanden. Hat man selbst keinen Kontakt zu einem Homosexuellen, so entsteht durch die Medien und Quellen, die den Menschen zur Verfügung stehen, ein Rollenbild oder eine Schublade, in der man sehr einfach alle Schwule verallgemeinern kann.
Eine spontane Umfrage im Bekannten- und Freundeskreis verrät mir, dass „heterolike“ bedeutet, dass der Mann zwar schwul ist, aber klischeehaftes und stereotypes Verhalten von Homosexuellen nicht bedient. Somit sich also "eher männlich" - in der Vorstellung der Gesellschaft - gibt und verhält. Zum Erfüllen des klassischen Männerbildes muss man einige Attribute darstellen: Sportlich, handwerklich geschickt, Bier statt Sekt trinken, kerniges Aussehen und eine tiefe und raue Stimme. Andere beschreiben den heiß begehrten „heteroliken“ Typen als „nicht tuckig“, was so viel aussagt, wie kein Make-Up, kein Drama, kein Schnick-Schnack und einfach ohne die Portion EXTRA, die den Homosexuellen oft zugeschrieben wird. Die Beschreibungen des Männerbildes werden immer konkreter und selbst im eigenen Freundeskreis gibt es genaue Vorstellungen, wie so ein echter Kerl zu sein hat. Natürlich hört er männliche Musik (keine Pop-Musik ala Britney Spears und Madonna), er gestikuliert wenig, trägt wohlmöglich einen Bart, hat einen festen Händedruck und hat eine aufrechte Statur und Haltung.
Schaut man im Duden nach ist eine „Tucke“ umgangssprachlich eine erwachsene, ältere, weibliche Person, die nicht geschätzt wird. Der Ausdruck ist laut Duden abwertend und kann ebenfalls die saloppe Bedeutung für einen (femininen) Homosexuellen sein. Das Wort „heterolike“ ist wiederum nicht zu finden und kann auch im Englisch-Deutsch Wörterbuch nicht direkt übersetzt werden. Auf schwulen Dating-Plattformen wird Hetero-Männlichkeit nicht nur zelebriert, sondern auch im Gegenzug jede queere Identität mit homophoben Bezeichnungen attackiert und diskriminiert: „Keine Tunten!", „Keine gebrochenen Handgelenke und Handtaschen", „Nur Männer mit Eiern in der Hose“, „Keine Mickey Mouse Stimme“. Wir liefern unseren Feinden und den Homo-Kritikern bereits die besten Beleidigungen und Gründe für die Ausgrenzung auf einem goldenen Serviertablett.
Die propagierte Vielfalt und Buntheit der Schwulen Szene ist bereits beim ersten intensiven Blick in die Welt der Homosexuellen selbst nicht mehr zu finden. Auf Gay Partys wird eine hypermaskuline und muskulöse Ästhetik präsentiert und vorgelebt, wo Anderssein kaum toleriert wird. Es scheinen immer mehr archaische Vorstellungen von Männlichkeit zu dominieren und wir passen uns dem hetero-normativen Männerbild immer weiter an. Ein Trend, der immer stärker wird seitdem wir mehr Rechte auf staatlicher Ebene bekommen. Wenn Schwule in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, dann doch aber bitte nur die, die sich auch möglich heterosexuell und männlich verhalten. Vielleicht ist dieses Verlangen nach „heteroliker“ Männlichkeit der Schwulen ein Ausdruck des Dazugehörens zur Mehrheit und die Folge von jahrelanger Ausgrenzung durch die Stigmatisierung der Homosexualität.
Wenn wir uns also beschweren, dass Jugendliche auf dem Schulhof „schwul“ als Synonym für das Wort „Scheiße“ verwenden, dann sollten wir auch reflektieren können, was das Wort „heterolike“ mit uns schwulen Männern macht. Der Begriff impliziert, dass „homolike“ unattraktiv, nicht erstrebenswert, benachteiligt, unmännlich und ungewollt bedeutet. Diese Art und Weise Homosexuelle oder Minderheiten in ein Schema zu quetschen, das für die Mehrheit angenehm und passend ist, ist nichts anderes als die Diskriminierung, die wir noch wegen unserer Sexualität vor nicht allzu langer Zeit erfahren haben. Nun ist man zwar ein gesunder und freier Mensch in Deutschland, wenn man schwul ist, aber man solle sich doch dann wenigstens nicht anders als andere heterosexuelle Männer verhalten. Heutzutage werden wir nicht mehr von der Gesellschaft benachteiligt - wir diskriminieren uns innerhalb der Gay Community selbst.
Ich möchte zum Abschluss einfach sagen, dass homo- oder heterosexuell zu sein, nur eine Beschreibung der sexuellen Orientierung ist. Nicht jeder heterosexuelle Mann ist maskulin und muskulös, obwohl er doch am ehesten – viel eher als ein schwuler Mann – „heterolike“ sein müsste. Verallgemeinerungen und Zuschreibungen von bestimmten Verhaltensweisen zu Geschlechtern oder gewissen Minderheiten, sind in jeglicher Form diskriminierend und sind ein Missbrauch der eigentlichen Begrifflichkeit. Ich für meine Person wünsche mir einen Mann, der „humanlike“ ist und dazu auch noch stolz darauf ist.
Heterolike, homolike oder doch lieber humanlike? Auf welchen Typ Mann stehst du? Teile uns deine Gedanken und Vorstellungen in den Kommentaren mit.
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