Offene Beziehungen sind üblich in der schwulen Welt. Über Jahre hinweg hatte Alex Hopkins sie komplett abgelehnt. Aber jetzt – Mitte dreißig und ledig – fragt er sich, ob er etwas verpasst hat.
Als junger, schwuler Mann hatte ich einen Traum: Den perfekten Partner zu finden! Es sollte ein starker, schöner Mann sein, der durch seine bloße Anwesenheit irgendwie die letzten acht Jahre meines Lebens auslöschen würde. Es waren acht Jahre ohne Freunde, die durch systematisches Mobbing bestimmt waren. Wir wären zusammen und dadurch würde ich mich geschützt fühlen. Die Welt würde mit ihm für mich zu einem sicheren Ort werden.
Ich hatte bereits meine Augen auf einen potentiellen Kandidaten geworfen: Ein massiger, blauäugiger freundlicher Riese in meiner Schule. Mit sexy behaarten Unterarmen aber - leider - einer strohdummen Freundin. Sie hatte Hasenzähnen, umzäunt mit Stacheldraht wie Alcatraz.
Ein monogames Ideal?
Mein Traum – wie der von so vielen schwulen Männern – basierte auf dem was ich kannte. Die einzige Vorlage einer Beziehung waren meine Eltern. Sie lebten eine archetypische monogame Beziehung. Ich erinnere mich noch an die Missbilligungen und das entsetzte Raunen, als meine Mutter auf die Mutter eines Freundes zeigte: „Sie hat eine Affäre!“ Ich wusste nicht was eine „Affäre“ war, aber es klang herrlich exotisch.
Die Ehe meiner Eltern war keineswegs perfekt. Die Wildheit einiger ihrer Streitereien stand denen von Elizabeth Taylor und Richard Burton in nichts nach. Es hätte ein instabiles Zuhause sein können. Aber, wie meine Mutter mir immer wieder bekräftigte, die Streitereien spielten keine Rolle. Meine Eltern blieben zusammen. „Scheidung? Kein guter Katholik lässt sich scheiden, mein Lieber. Ich bleibe bei ihm bis der Tot uns scheidet.“
Zu romantisch?
Als ich meine ersten Beziehungen einging, übernahm ich die feurige und extrem romantische Einstellung meiner Eltern. Jemand anderes in meine Beziehung zu lassen bedeutete nur eins: Das Ende!
Klar, ich hatte mehr flotte Dreier als warme Mahlzeiten - aber immer nur dann, wenn ich solo, also ohne Partner war. Denn wenn jemand meinen Mann auch nur falsch anguckte oder er mit einem anderen Blicke tauschte, drehte ich schon durch. Und da spielte es auch keine Rolle, wie viel größer oder stärker einer war. „Verschwinde! Sofort!“, schrie ich einen früheren Partner mal an, als ich sah, wie er mit einem blonden Schnittchen in meiner Stammkneipe liebäugelte. Wütend rang ich ihn zu Boden. Er war Boxer. Es endete nicht gut für mich.
Neid
Als rothaariger Skorpion schien meine Kapazität an Eifersucht schier unendlich zu sein – wie auch meine Bereitschaft jeden zu verurteilen, der es wagte die Worte „offene Beziehung“ in den Mund zu nehmen. Tatsächlich konnte der strafende Blick, mit dem ich schwule Paare fixierte, die einen solchen Weg gewählt hatten, extrem verächtlich sein. Diese Menschen waren, so hatte ich entschieden, einfach unersätlich. Wie konnten sie es wagen in einer Beziehung ihre Hose auch noch für jeden anderen Mann fallen zu lassen, der ihnen gefällt? Ich hingegen versuchte einen Mann alleine für mich zu behalten, was mir aber immer nur für ein paar Monate gelang.
Regeln brechen
Die Jahre vergingen. Abgesehen von einigen wenigen Beziehungen blieb ich Single. Die Vorstellung von einer offenen Beziehung lehnte ich weiterhin als undenkbare Option ab. Doch eine Stimme in meinem Kopf wurde immer lauter. Die schwule Befreiungsbewegung klopfte an die Umzäunung meine monogamischen Ideale: Waren nicht schwule Menschen frei genug, um ihre eigenen Regeln für Beziehungen zu schaffen? - überlegte ich. Sollten Schwule nicht ihre eigenen, frische, aufregende Wege zur Liebe und Beziehung gehen und sich dabei gegenseitig unterstützen? So wurde es auch für mich immer unrealistischer zu glauben, dass nur eine Person alles erfüllen kann – meine sexuellen, emotionalen und intellektuellen Bedürfnisse.
Diese Gedanken wuchsen, als ich Paare kennen lernte, die ganz selbstverständlich offene Beziehungen genossen. Ich lernte ein männliches und weibliches Paar kennen. Sie bezeichneten sich weder als homosexuell noch als heterosexuell. Sie lebten die stärksten Partnerschaften, die ich kenne. Und das, obwohl sie sich in Toiletten von Bars oder in ihren Betten mit Menschen zum Ausleben ihrer Bedürfnisse trafen. So viel zu Thema ‚Drehtüren’.
Vertrauen und Risiko
Vor einiger Zeit besuchte ich einen lieben Freund in Spanien. Er war in einer Partnerschaft seit mehr als 30 Jahren. Nach 15 Jahren beschloss das Paar, ihre bislang monogame Beziehung zu öffnen. Mein Freund hatte eine Wohnung in einem Haus, in dem sein neuer Liebhaber ebenfalls eine Wohnung bezog. Der Liebhaber lebte mit seinem eigenen Partner zusammen. Der langjährige Partner meines Freundes kam auch nach Spanien. Wir feierten alle gemeinsam seinen Geburtstag. Es gab keine Spannung. Im Gegenteil, es war ein besonders freudiges und entspanntes Ereignisse. Hier lebten Männer wie selbstverständlich die Werte ihrer schwulen Befreiung. Das funktionierte bei ihnen wirklich wunderbar.
Aber dieser Abend hinterließ auch ein wehmütiges Gefühl in mir. Denn ein Jahr zuvor hatte ich die längste Beziehung beendet, die ich je eingegangen war. Ich hatte mich von einem sensiblen, intelligenten Mann abgewandt, weil es sexuell mit uns nicht funktionierte. Dabei hatte er mir die Möglichkeit gegeben, die Beziehung zu öffnen. Doch für diese Option war ich offenbar noch immer nicht bereit und habe sie abgelehnt. Aber dann, als ich meine Freunde in Spanien sah – die keine Spur von Eifersucht zeigten, nur Freundschaft, Liebe und Vertrauen – da bereute ein Teil von mir diese Entscheidung.
Noch habe ich keinen besseren Freund gefunden. Ist es zu spät für einen stürmischen, romantischen Skorpion zu lernen, eine andere Art von Beziehung auszuprobieren? Angesichts meiner Geschichte wäre es möglicherweise ein Risiko, sich darauf einzulassen. Aber vielleicht ist es auch eine Chance, die es sich lohnt einzugehen.
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