HIV-Neuinfektionen nehmen wieder zu. Gerade unter jungen schwulen Männern scheint es, als ob „Safer Sex“ immer mehr vernachlässigt wird. Aber warum? Ist das eigene Verlangen nach Sex wichtiger als der eigene Schutz vor Krankheiten? Alex Hopkins sucht die Gründe und möglichen Lösungen für das Problem.
Es war 8 Uhr Morgens, als der 18-jährige Ben den Anruf aus der Klinik bekam. Er sollte sofort hinkommen. Dei ganze Nacht war er unterwegs - auf Party und hatte bisher nicht eine Minute geschlafen. Aber er wusste sofort, was er hören würde. „Ich bin mir nicht ganz sicher, wo ich mich mit HIV infiziert habe“, sagt er mir, „Ich habe eine Idee, aber ich bin mir nicht sicher. Ich habe alle, mit denen ich geschlafen habe, kontaktiert und alle sagen dass sie negativ sind. Einer lügt.“
Ben ist einer der Neuinfizierten unter den jungen schwulen Männern, die sich mit HIV infiziert haben. Die Zahlen steigen und sind alarmierend. Vor allem in den USA. Das US CDC (Centers for Disease Control and Prevention) hat registriert, dass die Zahl der HIV-Neudiagnosen bei schwulen und bisexuellen Männern im Alter zwischen 13 und 24 Jahren bis 2011, um 132,5% gestiegen sind. Ähnliche Entwicklungen wurden in Großbritannien und in Westeuropa verzeichnet. Aber warum steigen die Neuinfektionen gerade bei Männern, die Sex mit Männern haben? In Deutschland ist das IWWIT-Team unterwegs und klärt auf - aber reicht das?
„Eine Alte-Leute-Krankheit"
„Eines der Probleme“, sagt Ben, „ist, dass bei vielen die Wahrnehmung existiert, dass sie unbesiegbar sind. Ich erinnere mich nicht daran, dass HIV in den Medien besonders vertraten war, als ich aufwuchs. Schwule Menschen in meinem Alter denken über HIV, dass es eher eine „Alte-Leute-Krankheit“ der 1980er Jahre ist.“
Ben´s Gedanken sind begründet: Die neue Generation schwuler und bisexueller Männer erinnert sich nicht an die Verwüstung durch AIDS oder die wilden Kämpfe gegen die Reagan-Regierung in den USA, als die „Seuche“ auf ihrem Höhepunkt war. HIV kann heutzutage effektiv mit viel fortschrittlicheren Medikamenten als den giftigen Cocktails, die am Anfang verwendet wurden um das Virus in den 80er und 90er Jahren zu kämpfen, behandelt werden. Sobald es diagnostiziert wurde, begann Ben mit Atripla, einer der am häufigsten verwendeten Medikamente, um das Virus zu behandeln. Aber er war nicht auf die Nebenwirkungen vorbereitet.
„Zuerst dachte ich, dass ich einer der Glücklichen war. Alles, was ich hatte waren ein paar Schwindelanfälle und ein bisschen Übelkeit. Als ich begann depressiv zu werden, war ich überrascht. Erst als ich auf meinen Bruder losging, sagten sie mir, dass es wahrscheinlich wegen das Atripla war.“
Andere junge Männer mit denen ich gesprochen habe, haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Die öffentliche Wahrnehmung ist, dass HIV jetzt einfach behandelt werden kann, durch die Einnahme einer Pille. In der gleichen Weise, wie du jede andere sexuelle Infektion behandeln würdest, die Nebenwirkungen der Medikamente aber werden dabei außen vor gelassen.
„Safer Sex“ ist nicht mehr das, was es einmal war.
Dann gibt es die Männer, die mit HIV im mittleren Alter infiziert werden. Bei John wurde mit 46 HIV diagnostiziert und ihm wurde schnell Atripla verschrieben, weil die Zahl seiner CD4-Zellen nicht anstieg. Im Gegensatz zu Ben litt er nicht an den psychischen Nebenwirkungen, aber er entwickelte ein akutes Leberproblem.
Aber was ist mit „Safer Sex ist nicht mehr das, was es einmal war“ gemeint? - „ Tja, ich bin der lebende Beweis dafür. Von meiner Einstellung ungeschützten Sex nur mit meinem festen Partner zu haben, habe ich mich im Laufe meines Lebens gewandelt und in meinem Single-Dasein so oft Bareback-Sex gehabt. Ich kann ihn nicht zählen.“ Aber warum? „Alle haben gesagt, dass es bare befriedigender ist als mit Gummi, dass wollte ich testen.“ John machte eine Pause und kam ins Stocken…
„Dies ist für mich ein sehr unangenehmer Teil meiner Geschichte. Du weißt, dass du etwas machst, was du nicht machen solltest - der Nervenkitzel, die Geilheit und der Sex lassen dich aber genau das vergessen. Viele mit denen ich Sex hatte, waren HIV positiv - Wie ich jetzt weiß.“
Ungeschützter Sex war ein ganz Zeit lang normal. Ben glaubt, dass die Masse an Bareback-Pornos ihren Teil dazu beigetragen haben. Pornograpphie ist im Internet frei verfügbar. Und auch wenn die Portoindustrie mittlerweile Kondome nutzt, ist die Klickte bei Barebackfilmen um einiges höher.
„Junge Männer sehen diese Videos und denken dass es so läuft. Dass es geil ist, ungeschützt gefickt zu werden. Dass man so viel schneller zum Schuss kommt, bzw. ein Date ergattert. “, meint Ben.
Ben äußert sich auch kritisch über die Sexualerziehung, die er in der Schule erhielt. „Ich fragte nach Analsex im Sexualkundeunterricht und alles, was sie sagten war: „Wir würden es nicht empfehlen.“ Anstatt einer angemessenen Antworten und Informationen zu schwulem Safer Sex musste ich meine Erfahrungen selber sammeln – weitgehend durch Anschauen von Pornos. Ben fügt hinzu: „… zusätzlich sinkt durch den Gebrauch von chemischen Mitteln und Drogen die Hemmschwelle, wenn es um Verhütung geht. Kein Wunder also, wenn die Zahl der Neuinfektionen steigt.“
PrEP – aber wie ist es mit anderen sexuelle übertragbaren Infektionen?
PrEP(Präexpositionsprophylaxe) – Nennt man, die Verwendung von verschreibungspflichtigen Medikamenten für HIV negative Menschen, als Strategie zur HIV-Prävention. Anfangs wurde es eine Art „Spielwechsler“ im Kampf um HIV und AIDS bezeichnet. Ein Medikament welches zum Beispiel in den USA von alle Gesundheitsorganisation für PrEP empfohlen wird ist Truvada.
Es gab viel Kontroverse über das Medikament, von Menschen die behaupten, dass es einverantwortungslose Sexualverhalten unter schwulen Männern fördert.Die Befürworter des Medikaments argumentieren jedoch, dass es eine wichtige neue Waffe für die Verringerung der steigenden HIV-Infektionen ist. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, dass PrEPs in Verbindung mit bestehenden Strategien, wie zum Beispiel die Verwendung von Kondomen und regelmäßige Tests, verwendet werden.
Männer wie der 46-jährige John glauben, dass die Kondom-Müdigkeit ein echtes Problem ist: „Schwule Männer haben es satt Kondome benutzen zu müssen. Sie mussten es seit Jahrzehnten. Und viele fühlen ein Kondom störend, wenn es um Intimität geht.“ Der Einsatz von PrEP allein schütz aber nicht gegen andere sexuell übertragbarer Infektionen wie Gonorrhö und Chlamydien.
In Großbritannien steigen diese Infektionen bei junge Schwulen und bisexuellen Männern so schnell, dass der Gesundheitsschutz davor gewarnt hat, dass es in fünf Jahrenkeine wirksame Behandlung für Gonorrhö gibt. Zudem gibt es das Problem einer Ko-Infektionen bei HIV positiven Männern mit Hepatitis B und C, Dies kann wiederum bedeuten, dass die Wahl der HIV-Medikamente eingeschränkt wird, da Nebenwirkungen oder gar Unwirksamkeit folgen. Der 18-jährige Ben hat diese Erfahrungen aus erster Hand erleben dürfen.
„Kurz nachdem bei mir HIV diagnostiziert wurde, hatte ich ungeschützten Sex mit einem anderen positiven Typ. Ich fühlte mich einsam,“ erzählt er mir. „Zwei Tage später bekam ich Chlamydien und Gonorrhö und ging zurück zu der Klinik und brach in Tränen aus.“ Ben ist sich nicht sicher, wo die Lösung zur Verringerung der Zunahme der HIV-Neuinfektionen zu finden sind, aber seine Erfahrungen haben seine Haltung gegenüber Sex und Beziehungen geändert.
„Ich habe realisiert, dass ich sterblich, zerbrechlich und verletzlich bin. Ich habe angefangen den Situationen und den Menschen mit mehr Empathie zu begegnen und Sex als etwas Sinnvolles zu behandeln. Leider sind viele andere Schwule Männer von meiner Generation völlig ahnungslos über die Risiken.“
Namen wurden in diesem Artikel geändert.
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