Die Möglichkeiten beim Sex sind so bunt, wie das Leben selbst. Sex ist viel mehr geworden als die reine Produktion von Nachkommen. Ganz davon abgesehen, dass Homosexuelle bisher dahingehend ergebnislos trainiert haben. Weltmeister beim Sex sind angeblich die Griechen – natürlich, wenn man im Land der halbnackten Götter lebt.
Aber überall, wo Sonne ist, da ist auch Schatten. Eine allseits bekannte Kartoffelchips-Marke wirbt ja passenderweise mit dem Slogan „Einmal gepoppt, nie mehr gestoppt!“. Einen gesteigerten Sexualtrieb bezeichnet man als Hypersexualität – die Sucht nach häufigem Geschlechtsverkehr und die Abhängigkeit von sexueller Befriedigung. Nun geht man aus Spaß sicherlich leicht mit der Frage ‚Bin ich sexsüchtig?‘ um, wenn ein Kumpel mal wieder prahlt, welche und wie viele Eroberungen er am Wochenende hatte. Aber bei der Definition der Sexsucht sind einige Symptome entscheidend: Der Psychologe Christian Schulte-Cloos definiert diese Form der nichtstofflichen Süchte als „[...] ein außer Kontrolle geratenes Verhalten, das einhergeht mit den klassischen Anzeichen für Sucht – Besessenheit, Machtlosigkeit und die Benutzung von Sex als Schmerzmittel“.
Die Diagnose einer Sexsucht ist auch unter Experten nicht so einfach. Wer müsste wohl alles die Frage „Bin ich sexsüchtig?“ mit „Ja“ beantworten, wenn es nach der plumpen Definition des Psychiaters Martin Kafka ginge? Die besagt, dass Patienten, die über einen Zeitraum von sechs Monaten wöchentlich mindestens sieben Orgasmen haben und sich täglich „ein bis zwei Stunden mit solchen Aktivitäten beschäftigen“ unter Hypersexualität leiden. Entscheidend ist für die Einstufung, dass die sexuellen Fantasien und Verhaltensweisen so viel Raum einnehmen, dass die Betroffenen für nichtsexuelle Aktivitäten kaum noch Zeit finden. Aus der Sexsucht entsteht ein Leidensdruck, der sich auf den normalen Alltag erheblich auswirkt.
Für zwanghafte Beischläfer sind sämtliche Reize, die sie mit Sex verbinden, bereits wie der erste Schluck Schnaps für den Alkoholiker. Generell leben wir in einer total sexualisierten Gesellschaft, denn Sex ist im Alltag ständig allgegenwärtig: Nackte Brüste schon im Mittagsprogramm im TV, Online-Erotikangebote für alle frei zugänglich und das Thema Sex als Omnipräsenz in der Werbung. Die Reize aus unserer Umwelt sind so zahlreich und in zunehmendem Maße erotisierend, dass es nicht verwunderlich ist, dass Mann am Tag annähernd 20 Mal erotische Fantasien hat. Das ist aber nicht mit Hypersexualität gleichzusetzen.
Sexsucht ist eine psychische Störung und sie weist trotz Diagnose-Schwierigkeiten wiederkehrende Muster bei den Betroffenen auf. Für Erkrankte kann es in besonderen Stresssituationen zu einem Wunsch nach Sex kommen, um ein gewisses Unwohlsein abzubauen. Es ist zu vergleichen mit der Einnahme von Aspirin bei Kopfschmerzen. Der Drang kann so stark sein, dass man bei einer Hypersexualität dem Trieb nicht widerstehen kann und der Alltagsablauf empfindlich gestört wird. Allerdings führt Geschlechtsverkehr beispielsweise nicht zu physischen Entzugssymptomen, anders als beim Alkohol. Es gibt sogar prominente Beispiele, die öffentlich zugaben, dass sie an einer Sexsucht leiden: Tiger Woods, Jesse James oder Arnold Schwarzenegger. Die Geschichten dieser berühmten Personen zeigen, wie die Sucht ihr soziales Leben und nicht selten auch den beruflichen Erfolg zerstört.
Sexsucht ist nicht über die Anzahl (Quantität) der Sexualkontakte zu bestimmen, sondern vielmehr über die Qualität. Es gibt drei Hauptmerkmale, wie sich Hypersexualität bemerkbar macht und an denen du erkennen kannst, ob du sexsüchtig bist:
- Eines ist die von den Patienten selbst als zwanghaft erlebte Selbstbefriedigung. Bei über 70 Prozent der Betroffenen macht die Masturbation den größten Teil der sexuellen Aktivität aus.
- Das nächste Kennzeichen ist eine erhöhte Promiskuität, also ein häufiger Wechsel von Sexpartnern.
- Das letzte Hauptmerkmal ist der Pornografie-Missbrauch.
Viele, die diese drei Anzeichen lesen, werden sicherlich denken, dass sie gefährdet sein könnten, aber ausschlaggebend ist die Frage, wie sehr man seinen Trieb unter Kontrolle hat. Der Grund für diese Erkrankung ist wohl eine Kombination aus einer Verhaltenssucht, einer Zwangsstörung und einem Defekt der Impulsbeherrschung.
Lockdowns, Quarantäne und Kontaktverbote – in den letzten zwei Jahren haben viele Männer (und Frauen) deutlich mehr Zeit daheim verbracht als sonst. Da stellt sich die Frage: Hat sich diese Tatsache auf das Sexualverhalten ausgewirkt und besteht dadurch eine erhöhte Gefahr, an Hypersexualität zu erkranken? Vor allem der Konsum pornografischer Inhalte im Internet ist stark gestiegen. Wer an die eigenen vier Wände „gebunden“ ist, sucht nach Ablenkung. Was gibt es da Verführerischeres als Sex mit dem Partner oder eben via Internet? Eine Sucht baut sich langsam auf. Nicht jeder, der sich zu Zeiten der COVID-19 Pandemie verstärkt mit Sex beschäftigt hat, wird an einer Sexsucht erkranken. Es ist aber durchaus möglich, dass der ein oder andere ein Verhalten entwickelt, welches in Hypersexualität enden kann. Zeigen wird es die Zukunft. Erkennst du dich in den letzten Zeilen wieder und fragst dich jetzt: Bin ich sexsüchtig? Die Antwort darauf können wir dir nicht geben. Allerdings raten wir dir zu Achtsamkeit. Hinterfrage dein Verhalten und deine Denkweise und pass auf dich auf.
Die Auswirkungen auf das Leben von Sexsüchtigen können vielseitig und sehr unterschiedlich sein. Häufig verschulden sie sich maßlos und oft werden sie auch depressiv. Partnerschaftskonflikte sind vorprogrammiert, wenn der Liebste nicht schon von Anfang an von dieser Erkrankung weiß. Zu Hause wird mit dem Partner „Blümchensex“ betrieben und die ausgefallenen Wünsche werden erst übers Internet oder gar mit Affären und käuflichem Sex befriedigt. Wichtig ist es, sich bei den leisesten Anzeichen einer Sucht in psychotherapeutischer Behandlung zu begeben, bevor das Leben allzu stark beeinträchtigt wird.
Der erste Weg zur Besserung ist wie immer die Einsicht. Den Betroffenen muss zunächst bewusst werden, dass sie ein Problem haben und Hilfe brauchen. Die Behandlung von Hypersexualität besteht zum größten Teil aus einer Verhaltenstherapie, aber die Medizin steckt in dieser Hinsicht noch in den Kinderschuhen. Die Therapie soll helfen, dass Sexsüchtige ihre Impulse besser regulieren und steuern können. Probleme werden nicht durch Sex gelöst – eine simple Erkenntnis, die für Erkrankte meist nicht mehr greifbar ist. Die Patienten sollen nicht zur Abstinenz erzogen werden, eher soll der kontrollierte Sex-Konsum in den Fokus rutschen. Viel Sex ist ja auch noch nicht gleich ein Indiz für ein krankhaftes Verhalten. Deshalb können wir auch weiterhin unbesorgt die Lust an der Liebe genießen. Wie Lilo Wanders immer so schön zu sagen pflegte: „Öffnet die Herzen und herzt die Öffnungen“.
Wie viel Sex ist okay? Ab wann ist man sexsüchtig? Teile uns deine Gedanken in den Kommentaren mit.
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