Mi**** Geschrieben April 25, 2012 Autor Geschrieben April 25, 2012 Um einen Dreh zum Thema des Threads zu finden: Pfarrhäuser, ob protestantisch oder katholisch, können weder mit dem Knabenharem osmanischer Sultane verglichen werden, noch mit den vom Apostel Paulus strikt bekämpften Gebräuchen antiker "Knabenliebe" oder gar mit der Subkultur des Cruisings mancher Homosexueller in Parkanlagen und sogenannten Klappen. (Wobei anzumerken bliebe, dass das neudeutsche Wort Cruising auch in heterosexuellen Kreisen gebraucht wird als Bezeichnung für die Jagd nach einem willigen Sexobjekt) Dass es in Pfarrhäusern, gleich welcher Konfession, schon immer recht munter zugegangen ist in erotischer Hinsicht, das ist ein offenes Geheimnis. Ob es nun die verschwiegenen Kinder katholischer Priester sind, die häufig genug einem Verhältnis mit der Pfarrhaushälterin entsprungen sind (dazu gibt es gut dokumentierte Studien), oder ob es sich um die zumeist zahlreiche Kinderschar evangelischer Pfarrer handelt (sie haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes den meisten Nachwuchs neben Ärzten und Personen der Unterschicht) - die biblische Aufforderung "Seid fruchtbar und mehret euch" wird eifrig befolgt. Nun besteht jedoch sexuelle Aktivität keineswegs nur im Zeugungsakt, wenngleich die Kirchen solches gerne sähen. @Silberblick hat zurecht die Frage aufgeworfen, was denn erotische Gefühle und sexuelle Orientierung mit dem jeweils gewählten Beruf zu tun haben. Einzig mögliche Antwort: Rein gar nichts. Es gibt ebenso wenig schwul gebackene Brezeln von schwulen Bäckern oder schwule Spinnmaschinen von schwulen Textilingenieuren, wie es schwule spendierte Sakramente und schwul zelebrierte Liturgien von schwulen Geistlichen gibt. Der erst im Jahr 1054 für katholische Priester verbindlich gewordene Zölibat vermochte es nicht, die Sexualität aus dem Leben dieses Personenkreises zu verbannen. Andere Kirchen, wie die verschiedenen protestantischen Richtungen oder die orthodoxen, haben wohlweislich verzichtet darauf, Geistlichen die Ehelosigkeit vorzuschreiben. Nun könnte in der Manier bigotter, die biologische Realität leugnender Zeitgenossen eingewendet werden "Ja, aber Gott hat gewollt, dass nur Mann und Frau eine Gemeinschaft (also eine Ehe, eine Lebenspartnerschaft) bilden. Alles andere ist unnatürlich. Und schon deswegen dürfen keine schwulen Paare im Pfarrhaus sein. " Immer wieder erstaunt mich, mit welcher Sicherheit manche Menschen beanspruchen, die Richtung eines göttlichen Willens zu kennen. Und noch verblüffter bin ich über die Anmaßung, mit der unter die Berufung auf irgendeine Gottheit Menschen ausgegrenzt, geächtet und verfolgt werden, nur weil diese auf einer anderen Gefühlsebene leben und leben wollen. Wenn die Frömmler aller Sorten sich nur im mindestens einmal Gedanken darüber gemacht hätten, dass die angenommene Allmacht eines Schöpfergottes schließlich alles bewirkt, also auch die biologischen Varianten der Sexualität (nicht nur beim Menschen), dann würden sich diese engherzigen Betschwestern beiderlei Geschlechts gehütet haben davor, ein Schmierentheater um ein schwules Paar im Pfarrhaus zu veranstalten. Und es hülfe den Verteidigern der Homophobie auch nicht das Geringste, etwas von den kulturellen und theologischen Traditionen einer Glaubensrichtung zu faseln, die für ein Kirchenmitglied unabdingbar seien. Nur ein kurzer Blick in die Kirchengeschichte und die fortlaufenden Veränderungen der Theologie genügt, um dieses "Argument" in der Luft zu zerreißen. Die Eiferer wider schwule Lebenspartner in Pfarrhäusern haben schlechte Karten.
Inaktives Mitglied Geschrieben April 25, 2012 Geschrieben April 25, 2012 Man muss wohl sehr streng zwischen evangelischen und katholischen Pfarrhäusern unterscheiden. Die evangelischen sind wohlangepasst an die bürgerliche Gesellschaft und ihre Normen. Zweimal in der Woche schadet weder Herrn Pastor noch der Gemahlin, die den Strickverein leitet, in Kaffeekränzchen und in Betgemeinschaften präsent ist und wohl auch die Oberaufsicht über die überall hilfreichen und gerngesehenen Gemeindeschwestern führt. Früher allerdings entstammten dem protestantischen Pfarrhaus die hoffnungvollsten Intelligenzen. Man kann sich also im guten Freund des Herrn Pastors eine Kraft denken, die Frau Pastor auf den meisten Gebieten ersetzen oder sogar übertreffen wird. Eine geistige Elite wird in diesen neuen Pfarrhäusern nur selten gezeugt werden.- Bedenklicher sieht es da im katholischen Pfarrhaus aus.Seine Insassen geben ein eschatologisches Zeichen, sie leben gegen das Saeculum, haben alles, als hätten sie es nicht. Hier richtet man sich nicht bequem und gemeinschaftsförderlich im Diesseits ein, sondern befindet sich auf der Wanderschaft in jenseitige Gefilde. Man lebt hier nach den Grundsätzen, die auch der koran lehrt (3,14):Verlockend ist den Menschen gemacht die Liebe für die Frauen (Freunde)...Solches ist der Nießbrauch des Lebens hienieden, aber Allah- bei ihm ist die schönste Heimstatt. Im Pfarrhaus, das nach diesen Grundsätzen lebt, scheint leider kein Platz für den jungen Freund und Pfarrassistenten zu sein!
Inaktives Mitglied Geschrieben April 29, 2012 Geschrieben April 29, 2012 @Silberblick hat zurecht die Frage aufgeworfen, was denn erotische Gefühle und sexuelle Orientierung mit dem jeweils gewählten Beruf zu tun haben. Einzig mögliche Antwort: Rein gar nichts. In der Tat. Müllwerker, Polizisten oder Angestellte auf Katasterämtern dürfen schwul sein, ohne dass sie deshalb in einen inneren Zwist mit den Ansprüchen des gewählten Berufs geraten. Pfarrer ist aber kein bürgerlicher Beruf, sondern ein Amt: nämlich das Priesteramt. Ein Priester ist ein Mittler zwischen Gott (oder meinetwegen: dem Religiösen) und der Gemeinde (bzw. dem einzelnen Gläubigen). Voraussetzung für das Priesteramt ist der Glaube, den man bekanntlich nicht in der Schule lernen kann. Wenn nun die theologische Auslegung dieses Glaubens eine Ablehnung der Homosexualität einschließt, gerät der homosexuelle Priester in einen Zwiespalt seines Gewissens, ebenso wie seine Gemeinde sich damit auseinandersetzen muss, ob sie ihn akzeptieren will. Es kommt wohl sehr darauf an, wie der einzelne sein Amt ausübt und seine Homosexualität lebt. Dass hier aber ein Problem besteht, sollte selbst einem aufgeklärten Köpfchen einsichtig sein.
Inaktives Mitglied Geschrieben April 29, 2012 Geschrieben April 29, 2012 Die "aufgeklärten Köpfchen" ( was für ein bezaubernder, hier wunderbar passender Diminutiv) nehmen nicht nur Anstoß daran, dass die Kirchen die Homosexuellen tadeln. Ihnen ist überhaupt der Begriff "Gott", die Sphäre des Religiösen und die Mittlerschaft des Priesters ( die die Evangelischen anders sehen als die Katholischen) ein Unding. Göttlich ist manchen nur die "Göttin Vernunft", die sie mit Hoffnungen versehen wie kaum ein Wilder seinen Fetisch.
Li**** Geschrieben April 29, 2012 Geschrieben April 29, 2012 Es gibt einige evangelische Pfarrer, welche die sog. "Homo-Ehe" in ihrer Kirche durchführen. Ebenso gibt es bereits schwule und lesbische Glaubensvertreter, die längst mit ihrem Partner im Pfarrhaus zusammen leben. Das jedoch heißt noch lange nicht, dass das Amt damit einhergeht, auch sehe ich keinen Konflikt im Glauben an Gott. Der ist wohl eher in der erzkonservativen katholischen Kirche vorhanden.
Inaktives Mitglied Geschrieben April 30, 2012 Geschrieben April 30, 2012 Die katholische Kirche verlangt nun einmal von ihren Priestern, zölibatär zu leben. Die Idee dahinter ist einfach zu verstehen: ein Priester soll sich nicht an irdische Freuden verlieren, sondern in seinem Amt aufgehen. Dass das nicht immer klappt, ist menschlichen Schwächen zuzurechnen, weil Priester nun einmal Menschen sind. Wenn es aber durchweg ein unmögliches Ansinnen wäre, so wären Mönchs- und Priestertum längst verschwunden. Der Protestantismus hat irgendwie seinen Frieden mit der Welt gemacht. Er nimmt am weltlichen Treiben weitaus weniger Anstoß. Der einzelne Pfarrer wird entscheiden, wie weit er gehen kann, und die einzelne Gemeinde, was sie akzeptieren will. Das wird nicht zuletzt mit der mehr oder weniger überzeugenden Persönlichkeit des Pfarrers zu tun haben.
Inaktives Mitglied Geschrieben April 30, 2012 Geschrieben April 30, 2012 Es ist schwer, @Minotaurus zu antworten. Denn man muss sich bei seinen Texten erst durch eine Suada von Beschimpfungen lesen, die erst einmal zu schlucken ist..Da ist man "bigott", "Eiferer", "Frömmler", "Betschwester" usw.. Der Ertrag solcher Belehrungen geht gegen Null. Die christlichen Kirchen stellen ein Ideal auf, wobei die katholische stärker fordernd ist. Dieses Ideal wirkt wie ein Kompass, der streng die Richtung weist. @Minotaurus ergötzt sich daran, dass die armen Menschen der vom Kompass gewiesenen Richtung nicht ganz folgen können. Dem einen wird die Pfarrköchin zum Verhängnis, dem anderen die beichtende Sünderin, deren Sünden doch zu verlockend sind. Sollen wir also den Kompass des Ideals über Bord werfen, weil nicht alle dem Ideal entsprechen können? Der katholische Priester gibt ein eschatologisches Zeichen. Sein Leben muss als völlig verfehlt bezeichnet werden, wenn es Gott und den Jüngsten Tag nicht gibt. So bezeugt sein Leben in Gehorsam, Armut und Keuschheit den Glauben an Werte, die das Irdische überragen und die für jene unverständlich sind, für die es nur dieses Leben mit seinen Genüssen gibt. Minotaurus` Argument, ein allmächtiger Gott sei verantwortlich für alles von ihm Geschaffene , geht an der Glaubensüberzeugung vorbei, dass Gott den Menschen frei wollte, der darum auch für seine Entscheidungen selbst steht. Also lassen wir den Glaubensgemeinschaften die Entscheidung darüber, wie sie sich ihre Pfarrhäuser wünschen. Diese Entscheidung muss aber immer den in der Offenbarung" bekundeten Willen Gottes berücksichtigen. Die flotte Mademoiselle Vernunft hat da nicht das letzte Wort. Ich versichere,kein Priester zu sein, ja, ich bin nicht einmal gläubig im obigen Sinne. Ich versuche nur zu verstehen.
Mi**** Geschrieben April 30, 2012 Autor Geschrieben April 30, 2012 Zunächst: Der Zölibat, also die von der katholischen Kirche geforderte Ehelosigkeit des Priesters, hat keinerlei Grundlage in den Evangelien des Neuen Testaments. Die sexualfeindlichen Einlassungen in den echten Schriften des Apostels Paulus können nur mit etlichen gedanklichen Verbiegungen zur Zölibatsverteidigung herangezogen werden. Der Zölibat ist eine verhältnismäßig späte Erfindung der Kirche aus dem Jahr 1054, weshalb heutzutage auch in katholischen Laienkreisen und selbst von vielen Geistlichen zumindest eine Lockerung, wenn nicht gar eine Aufhebung des Zölibats gefordert wird. Jedoch kann damit keinesfalls noch im Pontifikat des derzeitigen Papstes und der zumeist konservativ ausgerichteten Kurie gerechnet werden, ebenso wenig wie mit einer menschenfreundlicheren Beurteilung der Homosexualität. Aparterweise räumen nun die Verteidiger der Schwulenfeindlichkeit im Verlauf dieser und vorhergegangener Diskussionen über die Homophobie nun endlich ein, dass den Kirchen sehr wohl eine zumindest fragwürdige Rolle bei der Ächtung der Homosexualität zugeschrieben werden muss. Ohne hier eine theologische Diskussion vom Zaun brechen zu wollen (die zudem das Verständnis und den Wissensstand der allermeisten User sicherlich überforderte) , so muss doch generell festgehalten werden, dass der Katholizismus weitaus lebensnaher ist als die dem Protestantismus zugrunde liegende Jenseits-Theologie. Die Eschatologie (also die Lehre von der Endzeit) und der daran geknüpfte Chiliamus (also die Lehre von einem göttlichen Heil) spielen in den protestantischen Anschauungen eine wesentlichere Rolle als in den theologischen Überlegungen der katholischen Kirche. Erfreulicherweise hat sich in der evangelischen Kirche Deutschlands seit etlichen Jahren ein Wandel angebahnt, was die Einstellung zu Homoerotik und Homosexualität anlangt. Deshalb auch ist dieses alberne Theater in Sachsen um schwule Paare in Pfarrhäusern so seltsam vorgestrig. @Nuwas irrt sich maßlos, wenn er annimmt, ich ergötze mich daran, "dass die armen Menschen der vom Kompass gewiesenen Richtung [der Vorgaben der Kirchen] nicht ganz folgen können" . Ganz im Gegenteil! Ich bedaure seit meiner Jugendzeit die (ob schwul oder unschwul) Menschen, die durch den ungerechtfertigten Moralitätsanspruch der Kirchen in zum Teil ausweglose Seelennöte geraten. Ein "Ergötzen" ist immer mit Freude verbunden, ich aber bin traurig und entsetzt darüber, mit welcher Niedertracht christliche Glaubensrichtungen einerseits die Homophobie als "göttlichen Willen" verkaufen, andererseits aber bedenkenlos die Waffen segnen, mit denen Menschen in Kriegen gleich hekatombenweise abgeschlachtet werden. Und nein - das Argument "ein allmächtiger Gott sei verantwortlich für alles von ihm Geschaffene" stammt nicht von mir, sondern ist seit Jahrhunderten elementarer Bestandteil der Theologie beider großer christlicher Konfessionen. Wobei ich gerne zugebe, dass sich die Theologen ebenso lange wie ordinäre Bürstenbinder darüber streiten, ob die Gottheit nun allmächtig sei oder es ins Belieben der Menschen gestellt, eine "ihnen von Gott verliehene Freiheit" zu benutzen oder nicht. (Für Interessierte: Die Theodizee-Frage kann auch im Zusammenhang mit der Sexualität des Menschen gestellt werden). Ja, ich bleibe dabei: Homophobie - und wenn sie im allerchristlichsten Mantel dahermarschiert - ist eine unauslöschliche Schande für eine Religion, die sich die von ihrem Begründer geforderte Menschenliebe aufs Panier geschrieben hat.
Inaktives Mitglied Geschrieben Mai 1, 2012 Geschrieben Mai 1, 2012 Nun, ich glaube kaum, dass Freund @Minotaurus die Berechtigung des Zölibats im Zusammenhang einer mehr als tausendjährigen theologischen Diskussion beurteilen kann. Die lapidare Bemerkung, dieser "habe keine Grundlage in den Evangelien", täuscht profundes Wissen vor, wo es kein Wissen geben kann, sondern nur Interpretation. Und die lässt eben durchaus auch eine Deutung im Sinne des Zölibats zu. Mönche und Einsiedler haben - nicht nur im Christentum - immer zölibatär gelebt. Enthaltsamkeit und Ehelosigkeit als bewusste Abwendung von der Welt und Hinwendung zu Gott haben eine uralte Tradition. Die vulgäre Meinung, dass der Mensch krank wird oder verkümmert, wenn er seine sogenannten natürlichen Bedürfnisse nicht ausleben kann, teile ich nicht. Denn die Sexualität ist weder mit Essen und Trinken noch mit Harnlassen o. ä. zu vergleichen. Ich kann zwar nicht sie selbst negieren, mir aber auferlegen, ihr nicht nachzugeben. Solche Entscheidungen nennt man moralisch. So etwas gibt es tatsächlich, sogar unter Homosexuellen, denen oft eine gewisse Zügellosigkeit unterstellt wird. Sie beruhen auf der Möglichkeit zur freien Entscheidung, ohne die es ja gar keine Moral gäbe. Wo von Moral geredet wird, ist Freiheit vorausgesetzt. Wenn der liebe Gott jede unserer Handlungen auf Schritt und Tritt kontrollierte (der weltweise @Minotaurus möge zeigen, wo genau Theologen so etwas behaupten), wozu dann Gebote? Was wäre dann Sünde? Cur deus homo? Und wozu wäre Christus gestorben? Dies alles kann unser wortgewandter Universalgelehrter uns sicherlich viel besser erklären als die Frömmler und Eiferer, die seiner Meinung nach die katholische Kirche beherrschen. Ich bin schon gespannt.
Mi**** Geschrieben Mai 1, 2012 Autor Geschrieben Mai 1, 2012 Es ist doch immer wieder ungemein erheiternd zu sehen, wie Freund @Nackig 1. sich in die Bresche schlägt, um den Vorteil sexueller Enthaltsamkeit zu verteidigen, stets in der Hoffnung, das tumbe Uservolk wisse ohnehin nichts von den durch die Unterdrückung von Sexualität entstehenden Neurosen. 2. sich in seinem religions- und kirchengeschichtlichen Dornengestrüpp verheddert (allerdings ohne eine Dornenkrone dafür zu tragen), stets in der Hoffnung, es mache sich ohnehin niemand Mühe, seine Angaben genau zu überprüfen 3. sich rührend darum bemüht, seine private Glaubensinnigkeit als allgemeingültige Theologie darzustellen, stets in der Hoffnung, es verfüge niemand außer ihm über konfessionsunabhängige, theologische Kenntnisse. Machen wir's kurz: Der Verweis auf weltentsagende, andauernd mit ihrer Sexualität hadernden ägyptischen Wüstenvätern und anderen Einsiedlern taugt überhaupt nicht dazu, die "Segnungen" der Enthaltsamkeit als besonders vorbildhaft anzupreisen. Was es mit den sexuellen "Anfechtungen" auf sich hat, kann in den "Confessiones" des Augustinus nachgelesen werden. Fehlt nur noch, das Freund @Nackig die Selbstentmannung des Origines als Mittel wider die Sexualität anzupreisen gedenkt. Eine Bestandsaufnahme des Einflusses der Kirchen liefern Rotter/Rotter in "Die Geschichte der Lust", Düsseldorf und Zürich 1996, und der Theologe Georg Denzler in "2000 Jahre christliche Sexualmoral - Die verbotene Lust", München 1988. Zu welchen Sonderbarkeiten die Unterdrückung der Sexualität quer durch die Jahrhunderte im christlichen Abendland geführt hat, mag der Interessierte dem Werk von Gabriele Sorgo entnehmen "Martyrium und Pornographie", Düsseldorf 1997. Eine geradezu erdrückende Materialfülle bietet der Berkely-Professor Niklaus Largier in seinem Buch "Lob der Peitsch - Eine Kulturgeschichte der Erregung" München 2001 (Leider erschwert das typische Professorendeutsch manchmal die Lektüre, auf die aber nicht verzichtet werden sollte) Freund @Nackig erwähnt den Begriff der "Sünde". Nun ist aber in den Evangelien dieses Wort gerade zweimal(!) verwendet; beim Sexualneurotiker Paulus hingegen findet es sich in Hülle und Fülle. Vergleiche hierzu Anton Mayer "Der zensierte Jesus -Soziologie des Neuen Testaments" , Olten 1983. Um unserem herzallerliebsten Sündentheoretiker @Nackig jedoch noch die Möglichkeit zu bieten, sich intensivst mit der theologischen Behandlung der Sünde auseinanderzusetzen, mag er als erstes Hilfsmittel zu Rate ziehen das von den renommierten Theologen Karl Rahner und Herbert Vorgrimmler herausgegebene "Kleines Theologisches Wörterbuch" und die darin aufgeführten Stichworte "Sünde" , "Sündenfreiheit", "Sündenmystik" und "Sündenstrafen" . Die dortigen unzähligen Quellenangaben muss unser Sündentheoretiker schon selbst nachschlagen und lesen. Als Erleichterung zum Aufspüren zum Hintergrund der jeweiligen Theologen und deren Werken kann das Hinzuziehen des vielbändigen Biblisch Biographischen Kirchenlexikons (BBKL) sehr empfohlen werden. (Die auch mögliche Internetnutzung des BBKL ist kostenpflichtig) Auch Freund @Nackig mag in seinem Glaubenseifer kaum entgangen sein, dass eine der großen Streitfragen der Theologen sich darum dreht, ob Gott ein personaler, also auf jeden Einzelmenschen bezogener und sich um ihn kümmernder Gott sei oder nicht. Zum Ausdruck kommt diese personale Gottesvorstellung selbst in routinemäßigen Traueranzeigen "Nach Gottes unerforschlichem Ratschluss...." Das In-Abrede-stellen eines personalen Gottes hat für viele Menschen dazu geführt, als Ketzer auf dem Scheiterhaufen zu enden. Muss zu dieser historischen Tatsache ebenfalls eine Leseliste nachgereicht werden? :-p Wie ich durch zahlreiche Gespräche während vieler Jahrzehnte in evangelischen und katholischen Pfarrhäusern und kirchlichen Akademien erfahren durfte, ist das dortige theologische Diskussionsniveau - bei allen sachlich und fachlich immer wieder auftretenden Differenzen - bei weitem anspruchsvoller als das, was uns hier Freund @Nackig zu unterbreiten geruht. Das Gezerfe um schwule Paare in Pfarrhäusern entspricht genau jener kleingeistigen und engherzigen, religiösen Weltschau, wie wir sie hier nun schon seit Monaten serviert bekommen.
Inaktives Mitglied Geschrieben Mai 1, 2012 Geschrieben Mai 1, 2012 @ Minotaurus Ihr letzter Beitrag ist seltsam lustig. Ich habe noch nirgends gesehen, dass @Nackig die Vorzüge sexueller Enthaltsamkeit preist. Schon in seiner beruflichen Praxis werden sich ihm da Gegenbeispiele gezeigt haben. Von großer Glaubensinnigkeit habe ich bei ihm auch wenig bemerkt, es sei denn, Sie schließen aus seiner kritik an I h r e n Kenntnissen des NT auf seine Verbundenheit mit der christlichen Tradition. Nein, wenn es darum geht, die Rolle des Dunkelmannes zu spielen, um damit das Sie bestrahlende Licht der Aufklärung effektvoller zur Geltung zu bringen, stehe i c h bereitwillig zur Verfügung.
Mi**** Geschrieben Mai 1, 2012 Autor Geschrieben Mai 1, 2012 Bester @Nuwas van Hoogstraten, Ihr Angebot, den Dunkelmann abgeben zu wollen, ehrt Sie zweifellos. Doch ich bin nicht der Verfasser des "verbo mirifico" und muss daher dessen Glanzes entbehren. Was sogenannte christliche Tradition aus dem Neuen Testament teilweise gemacht hat, brauche ich Ihnen wohl nicht näher zu erläutern. Wie haben sich schon beim Konzil von Nicaea die Vertreter verschiedener Auslegungsrichtungen mit derber Handgreiflichkeit in die Wolle bekommen; wie erbittert (teilweise mit Todesurteilen) ist der Arianerstreit geführt worden; was für unselige Debatten wurden und werden geführt ums Abendmahl, um die Sakramente; wie haben sich Calixtiner und Taboriten bekämpft usw. usw. , und jeder mit dem Anspruch, die richtige Auffassung von Christentum zu haben. Die Kirchengeschichte ist das Musterbeispiel für religiöse Unduldsamkeit. Es gibt beileibe keine einheitliche christliche Tradition, schon gar nicht in Bezug auf das Neue Testament. Das müsste spätestens seit Renan, D.F.Strauss und Albert Schweitzer in den muffigsten Betzirkel gedrungen sein. Worauf also will sich denn Freund @Nackig berufen? Eines jedoch gibt es in den christlich sich nennenden Kirchen: Die einheitliche Tradition der Homophobie. Und darauf soll und kann irgend jemand hier im Forum stolz sein?
Li**** Geschrieben Mai 1, 2012 Geschrieben Mai 1, 2012 Bei den Literaturverweisen sollte man schon davon ausgehen, dass jeder halbwegs gebildete User hier im Forum mitkommt. Andernfalls könnt ihr ebenso gut einen Thread mit dem Titel: Das literarische Quartett eröffnen - allen voran Minotaurus.
Mi**** Geschrieben Mai 1, 2012 Autor Geschrieben Mai 1, 2012 Hochzuverehrender @Silberblick, da es sich diesmal um Homophobie im christlichen Umfeld, sogar um einen Feldzug gegen schwule Paare in Pfarrhäusern dreht, kann es nicht ausbleiben, die hier im Forum vorgetragenen unterschiedlichen Positionen auch durch Literaturverweise zu untermauern. Ob nun diese Literaturangaben von einigen Usern benutzt werden oder nicht, ist ganz in deren Belieben gestellt. Es steht einem sogenannten Gay-Forum gut zu Gesicht, wenn auch anspruchsvollere Themen und Beiträge zur Diskussion gestellt werden können (gegebenenfalls auch mit Literaturverweisen, wie in kultivierten Kreisen üblich) , ohne gleich mit hämischen und bildungsfeindlichen Moderatorenkommentaren garniert zu werden. Darüber, mit welchen Hinweisen und Anmerkungen, auch literarischen, ein Debattenbeitrag unterfüttert wird, hat ein Moderator keinesfalls zu urteilen, schon gar nicht, wenn er sich den Richtlinien für das Allgemeine Forum entsinnt. Zugegeben - Homophobie rund ums Pfarrhaus ist kein Thema für diejenigen, die ein sogenanntes Gay-Forum letztlich nur für die virtuelle Abart eines Männerbordells halten. Jedoch haben Diskutanten des Allgemeinen Forums ein Recht darauf, sich ohne sachfremde Moderatoreneinwürfe austauschen zu können.
Li**** Geschrieben Mai 1, 2012 Geschrieben Mai 1, 2012 Dann darfst Du Dich jedoch nicht wundern, wenn eine breitere Beteiligung ausbleibt. Denn wen willst Du damit ansprechen? Den Einwand übrigens hat vor geraumer Zeit auch schon Topi eingebracht, denn das allgemeine Forum sollte nicht primär ein Schauplatz dafür sein, indem sich eine handvoll User permanent ihrer "monolithen" Kenntnisse bedienen. Bildungsfeindlich bin ich gewiss nicht, nur erspare ich es mir eben, zig Verweisen nachzugehen, die für das eigentliche Thema irrelevant sind und nur die eigene Meinung zum Besten geben sollen BTW: Das ist meine persönliche Meinung und hat nichts mit meiner Funktion als Moderator zu tun.
Inaktives Mitglied Geschrieben Mai 2, 2012 Geschrieben Mai 2, 2012 Wie bereits geschrieben: Was in den Testamenten nun "eigentlich" drinsteht, inwieweit der Apostel Paulus verantwortlich für die angebliche "Verbiegung" einer "ursprünglichen" christlichen Lehre, die von Jesus selbst stammen soll, verantwortlich gemacht werden kann, was von den Kirchenvätern hineingemengt wurde und was spätere theologische, in Dogmen gegossene Dispute hinzugetan haben – über all das gibt es kein sicheres Wissen, sondern nur Interpretationen. Deswegen spalten sich ja Religionen, die auf schriftlicher Überlieferung beruhen; eben weil man diese auslegen kann und sich unterschiedliche Lehrmeinungen bilden. Die bekämpfen sich dann, bis in die heutige Zeit, ggf. auch mit Feuer und Schwert. Es ist abenteuerlich, das Christentum auf das Gebot der Nächstenliebe zu reduzieren und deswegen zu behaupten, Christen dürften sich nicht streiten. Gerade deswegen müssen sie sich streiten – weil eben die eine Lehrmeinung von der anderen behauptet, die wahre Lehre, die doch "wörtlich" im Neuen Testament stehe, zu verbiegen und sich damit sozusagen an Gottes Wort zu vergehen! Wenn man sich wegen politischer Weltanschauungen die Köpfe einschlägt, sollte das wegen Religionsstreitigkeiten wohl auch möglich sein. Aber das ist aufgeklärten Häuptern anscheinend nicht einsichtig, weil sie gar keine religiöse Inbrunst mehr kennen. Sie zerren ihre Gegner lieber im Namen der Vernunft unter das Fallbeil. Ganz sicher jedenfalls ist nicht @Minotaurus, der hier nur Tendenzliteratur aufzählt, der berufene Mann, den Knoten der unterschiedlichen Ansätze zu entwirren. Nur Tendenzliteratur? Ich muss mich korrigieren, denn Rahner/Vorgrimler (mit einem m) ist tatsächlich eine nette kleine Fibel zum Einstieg in die theologische Nomenklatur. Da schauen wir denn gleich mal unter "Sünde" nach und finden folgendes: "Sünde (als Tat) im vollen Sinne ist die freie, existentiell radikale Entscheidung gegen eine in der Ordnung der Natur und Gnade und in der Wortoffenbarung geoffenbarten Willen Gottes... In ihr versagt sich das Geschöpf dem Willen des Schöpfers zu den Grundstrukturen seiner Schöpfung und seines Bundes und dem Willen Gottes zu seiner Selbstmitteilung an die Kreatur in der Gnade und widerspricht so auch seinem eigenen Wesen und dem Sinn seiner Freiheit." Na sieh mal an! Der Sünder ist also offenbar frei zu sündigen, der liebe Gott, der doch alles sieht, hindert ihn nicht. @Minotaurus möchte uns hier aber das allerliebste Herzenschristentum von Kirchenweiblein und Betschwestern, die glauben, der Waldi wird wieder gesund, wenn man den lieben Herrn nur lange genug bittet, als herrschende theologische Lehrmeinung verkaufen, weil es ja schon aus Formulierungen von Todesanzeigen hervorgeht! Man sollte eben Bücher nicht nur aufzählen! Wir finden bei Rahner/Vorgrimler unter "Jungfräulichkeit" (womit auch Enthaltsamkeit gemeint ist): "Jungfräulichkeit meint hier den verwirklichten Entschluss, sich für dauernd geschlechtlich zu enthalten 'um der Basileia willen'. Diese J. gibt es in der Kirche als einen evangelischen Rat und, daraus entsprungen, als eigene Lebensform." Ein "evangelischer Rat" (die drei evangeischen Räte sind Jungfräulichkeit, Armut, Gehorsam) also und nicht nur der Tick ägyptischer Wüsteneinsiedler – viemehr "um der Basileia (also des Gottesreichs) willen" einzuhalten! Ich muss schon sagen, lieber @Minotaurus, wer sich derart in die Brust wirft, als könnte er das gesamte Wissen seiner Zeit herauf- und wieder hinunterdeklinieren, der sollte schon etwas genauer lesen und vor allem auch verstehen! Ich bin ja nun wahrlich kein Theologe und nicht einmal ein gläubiger Christ, aber von der Neurosenlehre habe ich Ahnung. Der von @Minotaurus gelegentlich erwähnte Hans Blüher, dessen gesamtes Werk er natürlich schon als Grundschüler gelesen hat, würde ihn haben belehren können, dass Neurosen zwar aus unterdrückter, verdrängter Sexualität entstehen (können), nicht aber aus freiwillig (aus moralischen Gründen) negierter, (zum Beispiel im Glauben) sublimierter. Sonst wären alle Einsiedler, Priester und selbstverständlich auch sämtliche Heilige nämlich Sexualneurotiker. Ich würde mich natürlich gar nicht wundern, wenn die überlegene, aufgeklärte Vernunft unseres Labyrinthbewohners uns genau dies (im Sinne einer Dampfkesseltheorie) suggerieren wollte. Davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Was sich hier so wortreich als wissenschaftliche Weltsicht geriert, ist in Wahrheit Religionsfeindlichkeit primitivster Art. Die schüttet nämlich stets das Kind mit dem Bade aus.
Inaktives Mitglied Geschrieben Mai 2, 2012 Geschrieben Mai 2, 2012 Wir sollten auch einmal erwägen, dass die Sachsen vielleicht weniger aus "Honophobie" gehandelt haben, sondern sich mehr wünschten, im Pfarrhaus ein Paar zu wissen, das stabile Verhältnisse verspricht, nicht Lebensabschnittspartnerschaften, das Kinder hat, die ja vielleicht ein Segen sind, und dessen Lebensführung für die meisten Gläubigen eher vorbildlich ist als der bunte, schrille, wechselvolle Stil eines Gay-Paares. Wenn schon, möchte ich lieber mit Petrus Canisius verglichen werden.
Mi**** Geschrieben Mai 2, 2012 Autor Geschrieben Mai 2, 2012 Erklärender Hinweis: Petrus Canisius (1521 - 1597; 1925 heiliggesprochen) war als erster Deutscher dem Jesuitenorden beigetreten und der führende Theologe der katholischen Gegenreformation. Die wichtigsten Werke des Canisius sind drei umfangreiche Katechismen. Es war Canisius, der den Begriff der Todsünde oder himmelschreienden Sünde erfunden hat, der seither zum festen Bestandteil des katholischen Glaubensgutes gehört. Im protestantisch theologischen Umfeld (dazu gehören auch Pfarrhäuser!) wird die sogenannte Tatsünde hervorgehoben.
Inaktives Mitglied Geschrieben Mai 5, 2012 Geschrieben Mai 5, 2012 Soll ich jetzt noch die weiteren Werke des Canisius notieren? Das ist alles eitles Geträtsch.Völlig uninteressant.
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