Mike und ich/ Teil 94

Februar 26

„ Ich kenne keinen Marc Schumann,“ sagte Marvin, als er Mike gegenüberstand, der dir Tür geöffnet hatte. „Wirst du aber gleich kennen lernen. Komm ins Wohnzimmer.“ Stefan wollte Marvin folgen, ich aber seinen Arm ergriff, um ihn daran zu hindern. Ein verständnisloser Blick wurde mir von Stefan entgegen geworfen und mit einem „Why?“ zuckte er mit den Schultern.

„Komm mit in die Küche, da bringe ich dich ins Thema.“ Kurze Zeit nach uns betrat Mike die Küche und gemeinsam brachten wir Stefan auf den aktuellen Stand der Dinge und dass wir es besser fanden, wenn Marvin und Marc zuerst allein reden können. Wie paralysiert lauschte Stefan mit großen Augen und halbgeöffnetem Mund unseren Ausführungen.

Währenddessen stand Marvin wie zur Salzsäule erstarrt, von der jüngeren Ausgabe von sich und sah in ein weit aufgerissenes Augenpaar, dass voller Spannung erwartete, was passiert.

„Ich, ich heiße Marc..,“ begann dieser zögerlich und streckte Marvin vorsichtig seine rechte Hand entgegen. „ Marvin, ich heiß Marvin. Bist du, was ich glaube?“ antwortete Marvin, als er die Hand seines Gegenübers ergriff. Marc nickte langsam und dann sprudelten ihm die Worte förmlich aus dem Mund. Je mehr Marc von sich und seinem bisherigen Leben erzählte, wurden Marvin die Augen feucht .

„Ich, ich habe nicht gewusst, dass es dich gibt. Mein Gott noch eins, ich habe einen Sohn und weiß nichts davon. Glaub mir, wenn ich gewusst hätte, dass es dich gibt, ich hätte alles getan, dass du ein möglichst schönes Leben haben würdest, auch wenn ich nicht bei dir gewesen bin.“

„Ne, du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben. Alles gut. Freue mich, dass wir uns endlich getroffen haben. Aber wenn es dir recht ist, würde ich dich nicht Vater oder Papa oder wie auch immer nennen mögen, sondern dich mit Marvin ansprechen dürfen.“

„Ist doch ganz okay. Finde ich gut. Darf ich dich mal umarmen?“

Freudestrahlend ging Marc auf Marvin zu und dieser schloss seinen Sohn in die Arme, die er wie Eisenringe um ihn legte.“ Hey,hey,hey, nicht so feste, Paps.“ „Von wegen Paps, noch einmal und die kriegst nen Klapps.“ lachte Marvin.

„Bist du verheiratet oder solo?“ fragte Marc.

„Bin verheiratet.“

„Okay und wo ist deine Angetraute? Ist sie nicht hier?“

„Ist hier, aber nicht Angetraute, sondern Angetrauter?“ entgegnete Marvin und wartete gespannt auf die Reaktion.

„ Woaw, du, du bist auch.. ? Wie Mike?“

„ Ja, wie Mike. Ein Teil meines Lebens habe ich bisexuell gelebt, aber jetzt habe ich endlich mein Glück bei einem Mann gefunden und den möchte ich nie wieder loslassen.“

„ Würdest du mir den dann auch vorstellen?“

„Bin gleich wieder da.“

Wir waren in der Küche völlig ins Gespräch vertieft, als die Tür schwungvoll aufgerissen wurde und ein wie ein Honigkuchenpferd strahlender Marvin Stefan zuwinkte:“ Komm, komm, mein Sohn möchte dich kennen lernen.“

Zögerlich erhob sich Stefan und warf mir fast Hilfe suchend einen Blick zu und ich ermunterte ihn, Marvin zu folgen.

Und wir folgten Stefan.

Und dann standen sich Marc und der nicht wesentlich ältere Stefan wortlos gegenüber und eine kurze Zeitspanne herrschte Stille, die von Marc unterbrochen wurde, als er mit ausgestreckter Hand auf Stefan zuging. „Freut mich, dich kennen zu lernen. Ungewöhnliche Situation für uns beide, nicht wahr. Aber bestimmt nur im Moment. Wir sind ja jetzt so zu sagen eine Familie.“

Stefans Gesicht hellte sich auf und mit einem breiten Grinsen schaute er Marc an:“ Freue mich sehr, dass du da bist. Jetzt bin ich endlich nicht mehr das Küken hier in der Family.“ Allgemeines Gelächter war die Reaktion.

Mike informierte Marvin, dass er Marc gerne in der Wohnungsbaugesellschaft in der IT-Abteilung einsetzen würde und dass er vorübergehend unsere Gästezimmer belegen würde, bis er eine eigene Wohnung gefunden hätte.

„Bei der Wohnung gäbe es eine Möglichkeit. Stef und ich ziehen ja demnächst um und dann ist unsere ja frei. Die könntest du bestimmt übernehmen, wenn es dir recht wäre. Mit dem Vermieter kommen wir bestimmt klar. Was meinst meinst du Marc, willst du dir sie mal ansehen.“

„Menno, das kommt ja immer besser. Ein Job und jetzt sogar noch eine eigene Butze. Klaro sehe ich mir die an.“

„Wenn es dir recht wäre, könntest du sie auch voll möbliert übernehmen, kostet dich auch nichts. Wir richten uns ja neu ein,“ warf Stefan ein. „Super, sehr gerne. Hätte mir gestern jemand gesagt, was mir heute so alles geboten wird, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt. Och menno, ihr wisst gar nicht, was mir das alles bedeutet. Ich könnte euch alle knutschen bis ihr schielt.“

„Dass du dich so freust, freut uns alle natürlich auch, aber das mit dem Knutschen muss nicht sein,“ platzte es aus Mike heraus und lachte laut los.

„Okay, dann lass uns mal in unser gemeinsames neue Leben starten. Bist du mit einem Wagen da?“

„Ja, warum?“

„Dann würden wir jetzt zu unserer Wohnung fahren und du kannst sie dir anschauen. Dann fahren wir zum Hotel und bringen deine sieben Sachen hier her. Ist das recht, Mike, Tom, wenn Marc schon heute hier einzieht?“

„Nö,“ antwortete ich , „wenn ihr unterwegs seid, können wir das Zimmer schon herrichten. Aber eins könntet ihr noch machen. Bringt von unterwegs was zu essen mit. Wir wollen unseren Familienzuwachs feiern. Morgen ist schließlich Samstag, so what?“

„Paaardyyyyyyyyyyy,“ rief Mike und wedelte wie wild mit den Armen in der Luft herum.

Ein paar Augenblicke später waren Marvin, Marc und Stefan verschwunden und wir richteten das Gästezimmer her.

Keine zwei Stunden später trudelten die drei samt Marcs Gepäck wieder ein. Außerdem hatte sie zwei Pizzableche, ein Nudelblech und eine Salatplatte mitgebracht, die sie unterwegs bei unser aller Lieblingsitaliener bestellt hatte.

Es wurde ein lustiger Abend. Marc und Stefan schienen sich sehr gut zu verstehen. Als ich in der Küche die Essensreste wegräumte, stand Marc plötzlich neben mir. „ Du glaubst gar nicht, was dieser Tag für mich bedeutet. Nicht nur, dass ich endlich meinen leiblichen Vater gefunden habe, ne, ich habe noch einen Job bekommen und eine Wohnung. Und nicht zu vergessen, eine tolle Familie. Und mit Stefan hat Marvin wohl auch einen Glücksgriff getan. Der ist echt knuffig und die beiden sind ein tolles Paar. So wie du und Mike auch. Hätte nie geglaubt, dass schwule Beziehungen so sein könnten. Man lernt halt nie aus. Und morgen will Marvin seine Eltern darauf vorbereiten, dass ich existiere. Schließlich soll ich sie und sie mich kennen lernen.“